Die "Königlich Preußische Phonographische Kommission"

Phonographische Aufnahme in einem Kriegsgefangenenlager des Ersten Weltkriegs

Ein Großteil der heute im Berliner Lautarchiv befindlichen historischen Tondokumente geht auf die Arbeit einer wissenschaftlichen Kommission zurück, die 1915 durch das Preußische Kultusministerium eingesetzt wurde. Die Aufgabe dieser "Königlich Preußischen Phonographischen Kommission" bestand darin, die Sprachen und die Musik der in den deutschen Kriegsgefangenenlagern des Ersten Weltkriegs vertretenen Völker auf Lautplatten aufzunehmen und zu dokumentieren.

Die Initiative zur Gründung dieser Kommission ging von dem Sprachlehrer Wilhelm Doegen aus, der dem Preußischen Kultusministerium 1914 einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet hatte und der mit der Sammeltätigkeit in den Internierungslagern den Grundstein für ein allgemeines "Stimmenmuseum der Völker" legen zu können hoffte.

Der Kommission gehörten mehr als dreißig namhafte deutsche Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen an. Den Vorsitz übernahm der Psychologe und Gründer des Berliner Phonogramm Archivs, Carl Stumpf, der auch die Fachgruppe Musik leitete.

Die Phonographische Kommission arbeitete von 1915 bis 1919 und fertigte in diesem Zeitraum in über 70 Internierungslagern insgesamt 1650 Lautplatten sowie 1020 Aufnahmen auf Wachswalzen an. Während es sich bei den grammophonischen Lautplatten überwiegend um Aufnahmen verschiedener Sprachen und Dialekte handelt, enthalten die mit einem Edison-Phonographen erstellten Walzen ausschließlich Musik.

Jede einzelne Aufnahme wurde umfänglich dokumentiert. Neben einer Fotografie des Sprechers bzw. Sängers wurde ein Personalbogen mit Angaben zu seiner Herkunft, seinem sozialen Hintergrund und seinen Sprachkenntnissen erstellt. Von den rezitierten Texten oder Liedern wurden eine originalsprachliche Niederschrift, eine phonetische Transkription und eine Übersetzung angefertigt.

Ursprünglich sollten die akustischen Sammlungen der Phonographischen Kommission nach Kriegsende als Eigentum des Kultusministeriums zusammengehalten werden. Als Aufbewahrungsorte waren die Akademie der Wissenschaften oder die Preußische Staatsbibliothek erwogen worden. Tatsächlich aber wurden die Sammlungen 1920 getrennt. Die Wachswalzen mit den Musikaufnahmen gelangten in das Berliner Phonogramm Archiv, während die Lautplatten, die überwiegend Sprachaufnahmen enthielten, an die Preußische Staatsbibliothek übergingen, wo sie den Grundstock der neu geschaffenen und von Wilhelm Doegen geleiteten Lautabteilung bildeten.