Politische Kommunikation auf dem Forum Romanum
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Politische Kommunikation auf dem Forum Romanum

Politische Kommunikation auf dem Forum Romanum

Fallstudie des Projektes »Analogspeicher II. Auralisation archäologischer Räume«

Wichtiges Element der politischen Kommunikation der römischen Antike war die Ansprache vor dem Volk, bei der sich führende Politiker an die Bürger der Stadt wandten. Zu diesem Zweck diente seit der Errichtung der römischen Republik eine Rednerbühne auf dem Forum Romanum. Während öffentliche Ansprachen von der frühen Republik bis in die Kaiserzeit durchgängig fester Bestandteil der politischen Kultur waren, war die Szenerie der Ansprachen einem stetigem Wandel unterworfen: Die Rednerbühne ließ man umbauen und versetzen, oder Reden wurden einfach von einem anderen geeigneten Ort aus auf dem Forum gehalten. Diesen Veränderungen – über politische Erklärungen hinaus – tiefer nachzugehen, auf funktionale Hintergründe zu untersuchen und historische Konsequenzen zu ermitteln, sind Teil der zentralen Fragestellung des Forschungsprojektes von Prof. Dr. Susanne Muth [1]. 

Mithilfe von Simulationen der Akustik und Visualisierungen ist es nun möglich, uns den funktionalen Bedingungen dieser verschiedenen Orte zu nähern und zu prüfen, inwiefern sie beispielsweise der Aufgabe gerecht wurden, ein großes Publikum sowohl auditiv als auch visuell zu adressieren. Dafür werden die verschiedenen überlieferten Rednerpositionen durch die Mitglieder des Forschungsprojektes »Analogspeicher II« hinsichtlich ihrer Sprach- und Hörverständlichkeit sowie Sichtbarkeit aus verschiedenen Publikumsperspektiven überprüft. 

Das Forschungsprojekt ist eine Kooperation mit dem von Prof. Dr. Susanne Muth geleiteten Projekt »Digitales Forum Romanum« des Winckelmann-Instituts der HU Berlin, welches wiederum aus der Kooperation zwischen Exzellenzcluster TOPOI und dem Architekturreferat des DAI entstand. Die im Digitalen Forum Romanum entwickelten Modelle des Forums werden vom Fachgebiet Audiokommunikation der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Weinzierl für akustische Simulationen angepasst und ausgestaltet. 

Ausgehend von der Fragestellung wurde eine virtuelle akustische Umgebung (VAE: virtual acoustic environment) entwickelt, die es dem Nutzer ermöglicht, die Sprachverständlichkeit auf der historischen Platzanlage an verschiedenen Hörpositionen zu beurteilen. Die Wiedergabe des Redners in der VAE basiert auf der Technik der dynamischen Binauralsynthese und einer Raumakustik- Computersimulation der entsprechenden Umgebung. Die Computersimulation schließt alle akustisch relevanten Aspekte der realen Umgebung in die virtuelle Umgebung mit ein. Hierzu zählen die Raumgeometrie, die Eigenschaften der Materialien und Oberflächen sowie die Eigenschaften der Quellen und Empfänger im Raum. Aus der Simulation werden Datensätze gewonnen, sogenannte binaurale Raumimpulsantworten (BRIR), welche einem akustischen Fingerabdruck der spezifischen raumakustischen Situation entsprechen. Mit Hilfe dieser Daten und einem aufgenommenen Quellsignal – in diesem Fall der Rede eines römischen Redners – wird in Echtzeit eine Ansprache in der virtuellen Umgebung reproduziert. Die aufgenommene Rede muss dafür nachhallfrei sein, da der Einfluss der Raumakustik ausschließlich vom betrachteten virtuellen Raum und nicht vom Aufnahmeraum beeinflusst werden darf. 

In einem mit dieser Technik entwickelten "Demonstrator" kann ein Nutzer auf einer interaktiven Karte Hörpunkte auf dem Forum Romanum auswählen und sich die zweite Catalinische Rede des Cicero mit der Akustik des Forum Romanums über Kopfhörer anhören. Dabei wird für jede Hörposition auch eine Visualisierung der passenden Aussicht des Betrachters auf den Redner angezeigt. Diese Visualisierungen entstammen dem Projekt »Digitales Forum Romanum« des Winckelmann Instituts der HU Berlin. 

Während der Auralisation werden die zuvor berechneten Datensätze aus der Simulation in Echtzeit mit der nachhallfreien Aufnahme des Redners gefaltet. Dies entspricht einem Vorgang in der Signalverarbeitung, bei dem einem Signal der akustische Fingerabdruck der virtuellen Umgebung aufgeprägt wird. Der Hörer wähnt sich in der akustisch simulierten Umgebung und kann der Rede eines Redners folgen als wäre er vor Ort. 

Um die Rede realistisch wiederzugeben wird zudem ein Publikumsgeräusch eingespielt, welches durch das Projektteam auf dem Petersplatz in Rom bei einer Ansprache des Papstes mit dem MTB-Verfahren aufgezeichnet wurde. Das MTB-Verfahren ermöglicht die pseudobinaurale Aufnahme und plausible Reproduktion von räumlichen Soundscapes [2] durch eine mehrkanalige Aufnahme mit einem MTB-Mikrofon und einen Echtzeit-Rendering-Prozess [3].

Durch die Berechnung der Faltung in Echtzeit und die Verwendung der MTB Aufnahme kann das synthetische Schallfeld mit Hilfe der Daten eines Head Trackers passend zur Kopfposition des Nutzers auralisiert werden.

[1] Muth, Susanne. „Das Forum Romanum: Roms antikes Zentrum neu verstehen.“ [Antike Welt] 46, no. 6 (2015): 34-40 ; Bartz, Jessica – Erika Holter – Susanne Muth. „Digitales Forum Romanum: Chancen und Grenzen virtueller Rekonstruktion und Simulation.“ In Von der Reproduktion zur Rekonstruktion: Umgang mit Antike(n) II, herausgegeben von Kathrin Barbara Zimmer, 199-214. Tübinger Archäologische Forschungen 21. Rahden: VML, 2016.

[2] Fiedler, Felicitas; Ackermann, David; Brinkmann, Fabian; Schneider, Martin; Weinzierl, Stefan (2018): "Entwicklung und Evaluation eines Motion-Tracked-Binaural-Mikrofonarrays für die Aufnahme und Wiedergabe von räumlichen Schallfeldern". In: Fortschritte der Akustik - 44. Jahrestagung für Akustik (DAGA), München.

[3] Lindau, Alexander; Roos, Sebastian (2010): "Perceptual evaluation of discretization and interpolation for motion-tracked binaural (MTB) recordings.“ In: Proc. of the 26th Tonmeistertagung. Leipzig, pp. 680-701