Event (abgeschlossen)
Ort
Institut für Kunst- und Bildgeschichte
Georgenstraße 47

Der Vortrag widmet sich den ungeklärten Fragen nach Ikonologie und Transfer des Konzepts von saxus vivus aus der Antike in das Mittelalter. Diese lukrezische Idee einer grundsätzlichen Belebung der Materie und selbst noch des härtesten Steins ist zentral für den Zeitraum von 476 bis 1500, das heißt von der frühmittelalterlichen Stein-Ornamentik im Tierstil bis zu spätgotischem Astwerk. Das Konzept wird vorwiegend über die als gemalte Architektur gestalteten Eingangsportale mittelalterlicher Evangeliare vermittelt, die sogenannten Kanontafeln. Diese werden teils nach dem Vorbild der Manuskript-Architekturen in reale umgesetzt, teils dem in Rom situierten Hauptwerk sakralisierter Mikro-Architektur nachgebildet, der Confessio des Apostelfürsten in Alt-St. Peter mit ihren gewundenen und von marmornen Tieren und Menschen besiedelten Weinlaubsäulen aus der Antike. Es lässt sich zeigen, dass Gattungsgrenzen in formaler wie ikonographischer Hinsicht im Mittelalter keine Rolle spielen, es vielmehr ein permanentes und spannungsreiches Wechselspiel zwischen den Medien Skulptur und Buchmalerei gibt, da beide durch die dem saxus vivus-Konzept neu eingeschriebene theologische Ikonologie der »active matter eng« verbunden sind.