2. Jahrestagung
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2. Jahrestagung
Press release

2. Jahrestagung des Interdisziplinären Labors Bild Wissen Gestaltung

Mit der zweiten Jahrestagung startet der Cluster in eine neue Phase der interdisziplinären Zusammenarbeit: Die vier Sektionen Bild & Handlung, Formprozesse & Modellierung, Active Matter und Architekturen des Wissens präsentieren vom 20.11.–21.11.2015 in der BBAW die neue Schwerpunktsetzung des Clusters und damit hochrelevante Forschungsfelder, die an keiner anderen Institution in vergleichbarer Weise bearbeitet werden.

Die Konstruktion und Steuerung von Bewegung zwischen Beobachtung und aktiver Modellierung steht im Fokus der Sektion Bild & Handlung. Sie sucht sowohl die Anforderungen als auch die Grenzen und Hemmungen bildgeleiteter Handlungsabläufe auszuloten.

Formprozess & Modellierung zielt auf das Phänomen des Formenwandels zwischen biologischer Evolution und Transformationen kultureller Natur, die im Hinblick auf eine vergleichende Theorie und Praxis der Gestaltung analysiert werden.
Im Rahmen von Active Matter wird das Verhältnis von Materie und Code auf verschiedenen Ebenen erforscht, die vom urbanen Raum bis hin zu bakteriellen Biofilmen reichen.

Architekturen des Wissens widmet sich der genuin aus der Clusterarbeit hervorgegangenen Fragestellung zu Räumen experimenteller Forschung. Ziel ist, konkrete Bedingungen einer hierfür geschaffenen Architektur und deren Mobiliar zu ermitteln, aber auch Software-Anwendungen und Werkzeuge zu produzieren. »Alle vier Schwerpunkte zeichnet ein interdisziplinärer Forschungsansatz aus, dessen Fokus maßgeblich auf Gestaltungsprozessen, deren Neuorientierung und Optimierung liegt«, sagt Wolfgang Schäffner, Sprecher des Exzellenzcluster und sein Kollege, Horst Bredekamp, fügt hinzu: »Die sechzehn Vorträge werden einen Einblick in aktuelle Forschungsvorhaben geben, aber auch einen Ausblick auf kommende Horizonte vermitteln und zur Diskussion stellen.«

Beide Tage schließen mit einer Abschlussdiskussion. Am Freitag sind alle Gäste außerdem herzlich zum Abendempfang eingeladen.


Bild & Handlung

Zentrales Thema der Sektion sind motorische Prozesse und operative Bedingungen, die sich als Bewegungsmuster auf den unterschiedlichsten Ebenen wissenschaftlicher und gestalterischer Praxis beobachten lassen. Ob mit den basalen Mechanismen des Transports oder motorisch-anatomischen Aspekten wie der Muskelbewegung und dem Maschinenbau – im Mittelpunkt steht die Frage nach der Rolle, die der (Re-)Konstruktion von Bewegung zukommt, gerade auch im Vergleich mit anderen Techniken der raumzeitlichen Gestaltung. Beispiele von Bild und Handlung in der biologischen Bewegungsforschung wird Prof. Dr. John Nyakatura (Biologie) vor dem Hintergrund der »Rekonstruierte Bewegung« liefern, während Dr. Martin Grewe und Dr. Stefan Zachow (Informatik) sich auf die Spuren der Bewegungsfreiheit und somit auf die Suche nach Modellparametern begeben. Dr. Erika Holter und Prof. Dr. Susanne Muth (Archäologie) werfen einen Blick zurück auf antike Bewegungsmuster und betrachten dort den gestalteten Boden. Schließlich stellen Maria Keil (Kulturwissenschaft) und Anika Schultz (Design) ein mögliches zukünftiges Modell des »Bewegungsapparats Krankenhaus« vor.

Formprozesse & Modellierung

Der Vergleich von Formen und ihre Bewertung bilden einen Mechanismus der Aneignung von Welt, der am Formwandel biologischer Evolution und den Transformationen im kulturellen Kontext ansetzt. Die verschiedenartigen Voraussetzungen und Prozesse von Formbildung und -änderung in Natur und Kultur, ihre Wahrnehmung sowie die Analyse dieser Vorgänge mittels Modellierung bilden dabei die zentralen Fragenstellungen des Schwerpunktes. Dem stellt sich Prof. Dr. Thomas Macho (Kulturwissenschaft) mit dem Vortrag zum »Stachel: Zur Temporalität von Befehlen«. Prof. Dr. Richard Weinkamer (Materialforschung) untersicht Modelle der Bewegung – Individuell versus kollektiv. Günther Loose (ehemals Jirikowski) (Biologie) fragt nach Gestaltungsprozesse in der Natur und formuliert genetische und genealogische Aspekte der Formbildung am Beispiel der Krebstiere. Prof. Dr. Sabine Thümmler (Kunstgeschichte) wird den Formwillen vor dem Hintergrund von Pflanzenstudien zwischen Objekt und Verklärung beschreiben. Prof. Dr. Torsten Schubert (Psychologie) stellt Vorwissen und die Kategorisierung komplexer Objekte dar und gibt einen Überblick über bisherige psychologische Forschungen zur Frage von Formwahrnehmung und -interpretation komplexer Objekte, um relevante Fragen für zukünftige Forschungen abzuleiten. Karin Krauthausen & Samo Tomšič(Kulturwissenschaft) schließen das Sektion mit dem, was die Wissenschaft vergisst. 

Ein Interdisziplinäres Labor

Active Matter

Kernfrage der Tagungssektion ist das Verhältnis von intrinsischem und extrinsischem Code im Kontext von aktiven Materialien, die in der gegenwärtigen Materialforschung eine zentrale Rolle spielen. Ausgangspunkt ist die These, dass selbstaktive Materialien wie etwa Holz als codierte Materialien aufgefasst werden können, die als dynamisch-materiale Strukturen eine spezifische Verbindung von symbolischer und materialer Dimension, von Information, Steuerung und Material darstellen. Dabei repräsentiert der Code des Materials nicht nur eine spezifische Operation wie im Fall des Digitalen, sondern ist als analoger Code zugleich dessen Ausführung und materielle Verwirklichung. Die Herausforderung des Schwerpunktes liegt darin, einen Codebegriff zu entwickeln, der vor dem Hintergrund digitaler Algorithmen symbolische Operationen beschreibt, die analogen und materialen Charakter haben. Dazu wird Prof. Dr. Regine Henge (Biologie) die Entwicklung vom genetischen über den materiellen Code zur makroskopischen Form in bakteriellen Biofilmen darlegen. Prof. Dr. Peter Fratzl (Materialwissenschaft) wird in seinem Vortrag »Intrinsisch codierte Materialien« auf den Umstand verweisen, dass viele natürliche Materialien in Wechselwirkung mit der Umgebung wachsen und sich den äußeren Anforderungen anpassen, wodurch eine Struktur des Materials entsteht, die so stark durch die jeweiligen Anforderungen geprägt ist, dass sie eine intrinsische Codierung seiner Funktion darstellt. Materialien mit solchen Eigenschaften sind für Anwendungen u.a. in der Robotik interessant. Dr. Michael Friedman (Mathematik) und Dr. Angelika Seppi (Kunst- und Bildgeschichte) werden mit dem Titel »Falte und Faltung: Zwischen analogem und digitalem Code« auf die Frage eingehen, welcher Status der Falte unter Berücksichtigung des sich wandelnden Antlitzes der Geometrie seit dem Ende 19. Jahrhunderts zuzuschreiben ist und schließlich wird Sebastian Schwesinger (Kulturwissenschaft) über Filter, Struktur, Funktion sprechen und die Codierung klanglicher Gefüge präsentieren.

Architekturen des Wissens

Zentraler Gegenstand der Tagungssektion ist die Experimentalisierung von architektonischem Raum und kollaborativen Prozessen der interdisziplinären Forschung. Seit der Rede von virtuellen ›Architekturen‹ hat sich die medientechnische Frage nach der Operationalisierung von Räumen oder Netzwerken als Wissensprozesse auch auf die Architektur selbst übertragen. Doch eine grundlegende architektonische Experimentalisierung physischer Räume des Wissens ist noch immer ein Desiderat der Forschung. In der Sektion wird physische und virtuelle Architekturen, Handlungs- und Interaktionsformen eng aufeinander bezogen. Die integrative Verschränkung von Person – Raum – Gegenstand wird als ein operatives Gefüge von Verbindungen und Eigenschaften untersucht, und funktional voneinander abhängige Effekte werden experimentierbar, beobachtbar und beschreibbar gemacht. Dazu werden Prof. Finn Geipel und Henrike Rabe (Archiketur) in ihrem Vortag »Von Flüssen, Flows und Verbindungen« auf architektonische Entwurfspraxis und die Gestaltung informatischer Architekturen eingehen und weitere wissenschaftliche Praktiken, gestalterischen Interaktionsformen sowie empirische und theoretische Analyse verschränken, um die Möglichkeit von integrativer Gestaltung von interdisziplinären Arbeitsformen und Arbeitsräumen aufzuzeigen. Raum wird dabei in einem fundamentalen Sinne nicht nur zum Gegenstand, sondern auch zum Instrument von Experiment und Gestaltung. 

Pressemitteilung Jahrestagung des Interdisziplinären Labors 2015