Reinhard Selten leitet als Direktor das Laboratorium für experimentelle Wirtschaftsforschung des Wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereiches an der Universität Bonn.
Vor ca. 30 Jahren etablierte Reinhard Selten die experimentelle Wirtschaftsforschung in Deutschland. In diesem Forschungszweig werden Experimente gemacht mit Versuchspersonen, die unter genau kontrollierten Bedingungen Entscheidungen in wirtschaftlich relevanten Situationen treffen müssen. Ziel dieser Experimente ist es, durch Auswertung der beobachteten Daten zu deskriptiven Theorien zu gelangen, die das menschliche Verhalten besser erklären und vorhersagen können, als die derzeit noch vorherrschende normative Theorie es kann. Immer mehr Wissenschaften schenken dem wichtigsten theoretischen Werkzeug, der Spieltheorie, seither Aufmerksamkeit, von der Soziologie bis hin zur Biologie.
Seit der bahnbrechenden Monographie von v. Neumann und Morgenstern 1944 wird die Spieltheorie als ein entscheidendes Hilfsmittel für das Verständnis volkswirtschaftlicher Fragestellungen angesehen. Charakteristisch für Spiele wie z.B. Poker oder Schach ist, dass der Spieler zur Erreichung seiner Ziele (nämlich das Spiel zu gewinnen) eine Strategie entwickeln muß, die die möglichen Schritte des Gegenspielers einbezieht; dabei verfügt er über die volle Information (wie im Schach) oder nur über unvollständige Information (wie beim Pokern). Hierin liegt auch die Parallele zwischen Spieltheorie und Wirtschaft; das »Spiel« vollzieht sich im Prozess der sogenannten strategischen Interaktion. Nash unterschied zwischen kooperativen und nicht-kooperativen Spielen; letztere schließen bindende Absprachen aus. Im Mittelpunkt dieser Theorie steht der Begriff des Gleichgewichts, der benutzt wird, um Voraussagen über das Ergebnis strategischer Interaktion zu treffen: grob gesagt, streben alle Spiele in einen Gleichgewichtszustand, aber davon gibt es sehr viele. Reinhard Selten ging es vor allem darum, mittels schärferer Bedingungen nicht nur die Anzahl möglicher Gleichgewichte zu reduzieren, sondern auch ökonomisch sinnlose Gleichgewichte zu vermeiden – so entstand das Konzept der »Teilspielperfektheit« (subgame perfection). Grundlegende Auswirkungen hat Seltens Konzept für die Diskussion der Glaubwürdigkeit der Wirtschaftspolitik, für die Analyse des oligopolistischen Wettbewerbs, in der Informationsökonomik und in vielen anderen Zusammenhängen. Es ergeben sich jedoch immer wieder Situationen, in denen nicht einmal die Forderung nach »Teilspielperfektheit« hinreichend ist. Reinhard Selten verfeinerte sein Konzept daher noch weiter zum Gleichgewicht der »zitternden Hand« (trembling hand). Dadurch werden wesentlich präzisere und praktisch sinnvollere Vorhersagen für Spiele bzw. Märkte möglich; erst durch Seltens Arbeiten wurde die Spieltheorie für die Wirtschaftswissenschaft wirklich nutzbar.
1994 erhielt Reinhard Selten zusammen mit Prof. John C. Harsanyi von der University of California, Berkeley (USA), und John F. Nash von der Princeton University (USA) den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für die grundlegende Analyse des Gleichgewichts nicht-kooperativer Spieltheorie.
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