Interdisziplinärer Workshop des Projektes »Die Lesbarkeit der Welt«
Organisation und Konzept: Prof. Dr. Horst Wenzel
Anmeldung unter: christina.lechtermann@rz.hu-berlin.de
Führt man den Begriff der Deixis auf das griechische δε’ικνυμι zurück, kann seine Bedeutung zunächst dreifach gefasst werden: nämlich 1. zeigen, zum Vorschein bringen, 2. mit Worten kundmachen, unterweisen, hindeuten und 3. erweisen, beweisen. In der Mathematik der griechischen Antike etwa benannte das Verb Verfahren wie das in der Arithmetik gebräuchliche Ordnen verschiedenfarbiger Rechensteine oder das in der Geometrie übliche Zeichnen im Sand. Verfahren also, mit deren Hilfe man allgemeingültige Sachverhalte zu er- und vermitteln suchte, die vor der heute wieder fragwürdig gewordenen Unterscheidung von Ikonischem und Diskursiven liegen.
δε’ικνυμι bezeichnet diejenige Bewegung, mit der die Antwort auf eine Frage, das Ergebnis einer Rechnung, die Lösung eines mathematischen Problems hervor gebracht wird, indem der Lehrer oder Schüler der Geometrie beispielsweise zwei oder mehr in Sand vor ihm gezeichnete Punkte durch anzeigen oder anstreichen mit einem Stab oder der Hand zueinander in Beziehung setzt – etwa zwei entgegen gesetzte Ecken eines Quadrats durch die Inkommensurable. In dieser Bewegung passiert zweierlei: sie ist ein Akt der Bezugnahme – also ein Zeigen auf oder von etwas – und zugleich ein konkretes Sichtbarmachen, bringt sie doch, tatsächlich oder imaginär diejenige Linie zum erscheinen, die ihrerseits ostentativ zeigt.
Vor diesem Hintergrund erscheinen Fragen der Deixis und Evidenz als eng zusammengehörig. Von lat. evidentia abgeleitet, meint letztere das konkrete Sichtbarmachen und Vor-Augen-Stellen und bezieht damit das ganze Feld von Augenscheinlichkeit, Zeugenschaft, Beweis und Ergebnis mit ein.
Der Workshop will Akte des Zeigens innerhalb unterschiedlicher Medien in den Blick nehmen und danach fragen, wie sie sich zu Formen der Evidenz und der Evidenzerzeugung verhalten.