Ebert-Schifferer - Helmholtz Vorlesung Juni 2010
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Ebert-Schifferer - Helmholtz Vorlesung Juni 2010
Lugar
Kinosaal der Humboldt-Universität zu Berlin
Unter den Linden 6

Der Maler Caravaggio genießt eine erstaunliche Prominenz in unserer Zeit, die sich in ihm gewidmeten Ausstellungen, Texten, Filmen und anderen künstlerischen Inszenierungen spiegelt und zugleich verstärkt und verbreitet wird. Im Mittelpunkt des Interesses steht sein abenteuerliches Leben mindestens ebenso wie sein einflussreiches und zuweilen immer noch provozierendes Werk. Caravaggio fesselt als Maler wie als Liebhaber oder mutmaßlicher Mörder. Anlässlich seines 400. Todestages räumt die Kunsthistorikerin Prof. Dr. Sybille Ebert-Schifferer auf mit dem Mythos Caravaggio und erläutert auf der Grundlage akribischer Forschung, was es wirklich auf sich hat mit den Legenden um diese spektakuläre Figur:

»Die Popularität des Malers Michelangelo Merisi da Caravaggio übertrifft längst, so wurde kürzlich statistisch festgestellt, auch in der Kunstwissenschaft diejenige seines Namensvetters, des ›Titanen‹ Michelangelo Buonarroti. So sehr das an der unbestreitbar packenden Wirkung seiner Gemälde liegt, die auf den ersten Blick den Sehbedürfnissen und -gewohnheiten unserer Zeit entgegenkommen – richtig populär wurde er durch die Verbindung seiner Kunst mit seiner Biographie. Zwar ist diese Verbindung von Leben und Werk an sich schon ein historiographisches Muster, das die Kunstgeschichte als Wissenschaft methodisch eigentlich überwunden hat, so bildete sie doch den Nährboden für eine über Jahrhunderte aufgebaute Kette von Klischees. Merisi der religiöse Skandalmaler, der gesellschaftliche Außenseiter, der gejagte Kriminelle, der Homosexuelle, all das macht ihn zur Projektionsfläche heute positiv konnotierter Künstlermythen. Was für einen Künstler finden wir, wenn alles vielleicht ganz anders war? Der Vortrag stellt an ausgewählten Fallbeispielen vor, was nach einer historisch kritischen Dekonstruktion zutage kommt.«

Sybille Ebert-Schifferer studierte Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität München und der Technischen Universität Berlin. Seit ihrer Promotion 1985 ist sie im Museums- und Ausstellungsbereich tätig. Nach der Position als Leiterin des Ausstellungswesens an der Schirn Kunsthalle in Frankfurt wurde sie Direktorin des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt. 1998 ging sie als Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen nach Dresden. Seit 2001 ist sie Direktorin und Wissenschaftliches Mitglied an der Bibliotheca Hertziana – Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom. Sie ist Mitglied in zahlreichen akademischen Institutionen, erste Vorsitzende des Verbandes deutscher Kunsthistoriker und Cavaliere ufficiale des Verdienstordens der Italienischen Republik. In ihrer Forschung beschäftigt sich Frau Ebert-Schifferer mit den italienischen Bildkünsten der Renaissance und des Barock mit Schwerpunkten auf der bolognesischen und römischen Malerei des späten 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Gegenwärtig konzentriert sie sich auf die Entstehung und Verbreitung des frühen caravaggesken Stillebens in Rom und eine grundsätzliche Neubewertung der Künstlerpersönlichkeit Caravaggios.

Mehr zum Thema:

  • Ebert-Schifferer, S. (2010) Caravaggio: Sehen - Staunen - Glauben. Der Maler und sein Werk, C.H.Beck Verlag, München.