Wolfgang Reinhard ist Experte für politische Verflechtungen in der
europäischen und außereuropäischen Welt. Über die Geschichte der
europäischen Expansion hat er ebenso ein Standardwerk verfasst wie über
die Geschichte der Staatsgewalt. In seinem Vortrag erläutert er, dass
solch große Politik sich oft im Kleinen ereignet und durch persönliche
Interessen entscheidend beeinflusst wird:
»Ausgehend von einem Bonmot des Philosophen Pascal wird der allgemein
bekannten, aber wissenschaftlich kaum beachteten Tatsache nachgegangen,
dass Politik zum größeren Teil mit Eigenschaften, Interessen und
Intrigen von Personen und Gruppen zu tun hat und nur zum geringeren Teil
mit den Sachfragen des Gemeinwesens und des Gemeinwohls, ja dass
letztere in der Regel überhaupt nur auf dem Weg über erstere bearbeitet
werden können. Dieser Sachverhalt wird zunächst zusammenhängend
entwickelt und anschließend an ausgewählten Beispielen aus Geschichte
und Politik demonstriert. Darauf folgt eine historisch-anthropologische
Hypothese, die erklären soll, warum sich die Dinge so und nicht anders
verhalten. Zum Schluss werden dann Überlegungen darüber angestellt,
welche Folgen sich aus dieser Erkenntnis für Wissenschaft und Leben
ergeben könnten.«
Wolfgang Reinhard studierte Geschichte, Anglistik und Geographie in Freiburg und Heidelberg. Nach seiner Promotion und mehreren Jahren im Schuldienst habilitierte er sich 1973 in Freiburg. Dort wurde er Lehrstuhlvertreter und außerplanmäßiger Professor. 1977 folgte er als Professor für Neuere und Außereuropäische Geschichte einem Ruf an die Universität Augsburg, wo er bis 1990 einen Lehrstuhl innehatte. Von 1990 bis zu seiner Emeritierung 2002 war er Ordinarius für Neuere Geschichte in Freiburg. Seit 2005 ist er Fellow am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien in Erfurt. Reinhard beschäftigt sich insbesondere mit europäischer Expansion, Papstgeschichte, Kolonialismus, historischer Anthropologie und vergleichender Verfassungsgeschichte Europas. Er ist Mitglied der British Academy, der Accademia di San Carlo di Milano und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. 2001 erhielt er den Preis des Historischen Kollegs.