Lugar
Kinosaal der Humboldt-Universität zu Berlin
Unter den Linden 6

Friedrich Hirzebruch gehört zu den international bedeutendsten Mathematikern der Nachkriegszeit, wovon die große Zahl seiner nationalen und internationalen Auszeichnungen beredtes Zeugnis ablegt. Geboren 1927 in Hamm/Westfalen, studierte er von 1945–1950 Mathematik, Physik und Mathematische Logik an der Universität Münster und an der ETH Zürich. Nach seiner Promotion und einer Assistententätigkeit an der Universität Erlangen war Friedrich Hirzebruch von 1952–54 Mitglied des Institute for Advanced Study in Princeton. Hier legte er mit dem nach ihm benannten »Signatur-Satz«, der eine der wichtigsten Entwicklungen der modernen Mathematik einleitete, die Basis seines Weltruhms. Nach seiner Habilitation 1955 an der Universität Münster und einem erneuten Aufenthalt in Princeton erhielt er 1956 den Ruf auf einen Lehrstuhl für Mathematik an der Universität Bonn, wo er trotz zahlreicher Angebote bis zu seiner Emeritierung 1993 geblieben ist. Hier arbeitete er an grundlegenden Fragestellungen der algebraischen Geometrie und Topologie, zu denen er einflussreiche Studien veröffentlichte. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit sind insbesondere die Leistungen Friedrich Hirzebruchs für die internationale mathematische Gemeinschaft hervorzuheben. Er war u.a. Initiator und Sprecher des Sonderforschungsbereichs »Theoretische Mathematik«, sowie Gründer und langjähriger Leiter des Max Planck-Instituts für Mathematik in Bonn, an dem er bis heute noch regelmäßig tätig ist.

Friedrich Hirzebruch erhielt zahlreiche nationale und internationale Ehrungen, darunter das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland (1993), die Lomonossow-Goldmedaille der Russischen Akademie der Wissenschaften (1997), und er wurde in den Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste aufgenommen.

Friedrich Hirzebruch erläutert in seinem Vortrag zum Thema »Ein ›Buchstabe in der Schrift der Natur‹: Dreiecksnetze und ihre Anwendungen« die mathematische Beschreibung von Oberflächen:

»Das Dreiecksnetz in der Ebene entspricht der wohlbekannten Pflasterung der Ebene in gleichseitige Dreiecke. Gibt es auch Dreiecksnetze, die die Kugeloberfläche umspannen? Die Frage ist zu bejahen, wie schon Ernst Haeckels Zeichnungen von Radiolarien zeigen. Aber hier gibt es fünffache, sechsfache, siebenfache, achtfache Punkte, in denen fünf, sechs, sieben oder acht Dreiecke zusammenkommen, während es in der Ebene immer sechs sind. Das einfachste Beispiel ist das Ikosaeder mit 20 Dreiecken und 12 fünffachen Punkten. Die Dreiecksnetze über der Kugeloberfläche heißen auch Triangulierungen. Es gibt 7616 verschiedenen Triangulierungen mit 20 Dreiecken (Brückner 1897). Für die Anwendungen interessant sind Triangulierungen, wo nur fünffache und sechsfache Punkte vorkommen. Solche Triangulierungen (mit Ikosaedersymmetrie) beschreiben die Struktur gewisser Virushüllen (D.L.D. Caspar und A. Klug, Nobelpreis 1962).

Dual zu den Triangulierungen mit ausschließlich fünf- oder sechsfachen Punkten sind Zerlegungen der Kugeloberfläche in Fünfecke und Sechsecke (Flächen), wobei in jedem Eckpunkt genau drei Flächen zusammenkommen (Dreikantpolyeder); sie beschreiben zum Beispiel die Struktur gewisser Pollen (Glockenrebe). In der Chemie sind sie als Fullerene bekannt, über die es nunmehr eine gewaltige Literatur gibt, beginnend mit der Beschreibung des Kohlenstoffmoleküls C60 durch eines der 13 seit 2300 Jahren bekannten archimedischen Polyeder: ›Fußball‹ mit 12 Fünfecken und 20 Sechsecken (Krätschmer, Fostiropoulos, Huffmann, Lamb 1990; Croto, Curl, Smalley, Nobelpreis 1996).«

In dem Vortrag werden mathematische Konstruktionsprinzipien von Fullerenen beschrieben, unter Verwendung von:

  • An Atlas of Fullerenes (Monographs on Chemistry), P.W. Fowler and D.E. Manolopoulos 1995).
  • A constructive enumeration of fullerenes, G. Brinkmann and A. Dress 1997
  • Shapes of polyhedra and triangulations of the sphere, William P. Thurston 1998.

Ausgewählte Veröffentlichungen:

  • Neue topologische Methoden in der algebraischen Geometrie (EA 1956, NA 1995)
  • Gesammelte Abhandlungen (1987)