Im Jahre 1915 ist mit Heinrich Wölfflins Kunstgeschichtlichen Grundbegriffen ein Klassiker der Fachliteratur erschienen. Das »Vergleichende Sehen« hat darin eine ebenso zentrale argumentative Bedeutung wie in der übrigen Arbeit Wölfflins, so dass das Jubliäum auch Anlass für eine Neuverhandlung dieser Methode bietet.
Wölfflins Werk steht für eine Hochphase kunstwissenschaftlicher Forschungen nach 1900, in der sich naturwissenschaftlich-technische Ansätze und breitenwirksame ästhetische Debatten vermischt haben. Ausgehend von der intellektuellen Situation jener Zeit, soll die Veranstaltung nicht nur kunst- und kulturhistorische Disziplinen einbeziehen und ansprechen, sondern die fachübergreifende Frage der Wahrnehmung, Beschreibung und Sortierung von Formen zum Ausgangspunkt einer erneuten interdisziplinären Untersuchung nehmen. Dazu gehört z.B. die Frage, ob und auf welcher Ebene natur- und kulturhistorische Gegenstände überhaupt miteinander verglichen oder gleichbehandelt werden können.
Die Tagung schließt an kunsthistorische Studien an, in welchen die Medien und Strategien des formbasierten Vergleichs systematischer behandelt worden sind (so in den Beiträgen des Bandes von Lena Bader et al., München 2010), und soll von hier aus die aktuelle und transdisziplinäre Bedeutung vergleichender Operationen herausarbeiten.
Veranstaltet wird die Tagung von der Abteilung »Das Technische Bild« und dem Projekt »Attention & Form«, in dem Vertreter_innen aus Biologie, Kunstgeschichte, Psychologie, Informatik und Architektur zusammenarbeiten, um Mechanismen und Hypothesen visueller Kategorienbildung zu erforschen. »Attention & Form« ist Teil des Interdisziplinären Labors Bild Wissen Gestaltung, eines Zusammenschlusses von mehr als 25 Fachrichtungen, der im Zusammenspiel mit Design- und Architekturdisziplinen grundlegende Gestaltungsprozesse wissenschaftlicher Forschung untersucht.
Dem Tagungscharakter entsprechend sind Vorträge unterschiedlichen Formats möglich und vorgesehen, darunter eine fachübergreifende und umfassende Diskussion im Rahmen des Clusterformats „interdisziplinäre Kontroverse“.
Donnerstag, 9. Juli 2015
17:00 Auftakt
MATTHIAS BRUHN/ GERHARD SCHOLTZ
Begrüßung
17:30 Formen des Vergleichs
Moderation: NIKOLA DOLL
HANS CHRISTIAN HÖNES
Bloß zufällig – Kritik und Selbstkritik des Bildvergleichs bei Heinrich Wölfflin
THOMAS STACH
Formvergleich und Formbeschreibung in der Biologie
KORNELIA NEHSE
Bild und Kriminaltechnik
19.00 Umbaupause mit Weinbüffet
19:30 „Kontroverse“ (Impulsvorträge & Diskussionsrunde)
Moderation: LENA BADER & JOHN NYAKATURA
PETER GEIMER & GERHARD SCHOLTZ
Vergleichendes Sehen: Gleichheit aus Versehen?
Freitag, 10. Juli 2015
10:00 Daten und Linien
Moderation: GEERT KEIL
BIRGIT SCHNEIDER
Vorher / Nachher: Klimadarstellungen als Argumentationsform
HANS-CHRISTIAN HEGE
Vergleich von visuellen Designs in der Datenvisualisierung
11.00 Pause
11:30 Muster und Analogie
Moderation: MORITZ QUEISNER
STEFAN HEIDENREICH
Muster- und Geschichtserkennung, nach Wölfflin
ANNA ROETHE & MATTHIAS PLANITZER
„Blickdiagnosen?“ Beschreibungen pathologischer Befunde
12.30 Mittagspause
14:30 Fahndung
Moderation: FRANZISKA KUNZE
SUSANNE REGENER
Mediengeschichte und Phantombildnis
HILJA HOEVENBERG
Personenidentifizierung mittels Bildaufnahmen
15.30 Pause
16:00 Wahrnehmung
Moderation: CLAUDIA BLÜMLE
CLAUS-CHRISTIAN CARBON
Vergleichendes Sehen – Komplementär Wahrnehmen
SABINE MAINBERGER
eye and mind. Sehübungen um 1900