Die Hütte wird gemeinhin als spontanes und vorläufiges Gebilde verstanden, als eine Improvisation im Außenraum, aus arbiträrem Material gefügt und mit einem klaren Ziel: schnell und mit vorhandenen Mitteln einen abgetrennten Bereich zu konstituieren. So verstanden faltet die Praxis der Hütte den Raum, sie erstellt gewissermaßen eine Tasche oder eine Abteilung in diesem Raum und ermöglicht auf diesem Weg ein relatives Innen in Differenz zu einem Außen.
Eine solche temporäre Faltung des Raums kann als Unterstand, Obdach, Versteck, Lager oder Zuflucht dienen. Doch auch Handwerk und Industrie kennen die Hütte, zum Beispiel die Eisenhütte bzw. die Praxis des Verhüttens, die jenen Umschlag fasst, an dem aus ›Naturmaterial‹ ein Rohstoff ausgesondert und destilliert wird, der kulturelle wie technische Produktionen speist. Und nicht nur sprachhistorisch, sondern auch architekturgeschichtlich ist die Hütte mit der Haut verwandt – das lässt sich nicht nur in Gottfried Sempers Ausführungen zur mit Häuten bespannten Stiftshütte nachlesen, sondern auch in der konkreten chirurgischen Schneidepraxis wiederfinden sowie in der materialwissenschaftlichen Modellarchitektur der Wundheilprozesse.
Der Workshop unternimmt es, nach den unterschiedlichen Praktiken der Hütte zu fragen und eröffnet damit eine transdisziplinäre Typologie der Hütte, die von der Architektur, Biologie und Kunst über die Mathematik, Materialwissenschaft und Metaphysik bis zur Sprach- und Technikgeschichte reicht.
Karin Krauthausen, Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung, Humboldt-Universität zu Berlin
Rebekka Ladewig, Bauhaus-Universität Weimar
Programm:
Mittwoch, 29. März 2017
09.30-10.00 Uhr Karin Krauthausen, Rebekka Ladewig: »Hütte, Haut, Hülle, Hut. Über das metonymische Wuchern ephemerer Strukturen«
10.00-11.00 Michael Gnehm: »Die Hütte: Das ›Primitive‹ als ›Futuristisches‹ der Architektur«
11.00-11.15 Kaffeepause
11.15-12.15 Wolfgang Schäffner: »Nicht-Architektur«
12.15-13.15 Richard Weinkamer: »Transiente Architekturen und Kompartimente in biologischen Materialien«
13.15-15.00 Mittagspause
15.00-16.00 Susanne Jany/Khashayar Razghandi: »The Filter Architecture of the Tunicate Oikopleura Dioica«
16.00-17.00 Anna Roethe: »Schnitt # Naht. Chirurgische Intermediationen in Haut«
17.00-17.30 Kaffeepause
17.30-19.00 »Denkraum I – Hülle, Haut, Membran«
Jan Müggenburg, Gabi Schillig, Muyao Zhang (Screening »BLK«)
19.30 Gemeinsames Abendessen
Donnerstag, 30. März 2017
10.00-10.30 Karin Krauthausen, Rebekka Ladewig: »Zwischenstand Hütte«
10.30-12.00 Panel-Diskussion mit Finn Geipel, Luca Rendina, Gabriele Schabacher, Michael Gnehm: »Temporary/mobile shells in architecture«
Finn Geipel (LIN, Berlin): »Monospace«
Luca Rendina, HBArchitects, London: »Halley VI Antarctic Research Station: A pioneering mobile structure for an extreme environment«
12.00-13.30 Mittagspause
13.30-14.30 Ulrike Haß: »Nomadische Bühnen«
14.30-15.30 Stephan Kammer: »skené‹. Orte der Kulturbegründung im 18. Jahrhundert«
15.30-16.00 Kaffeepause
16.00-17.00 Jo Krausse: »Die strukturelle Differenz von Hütte und Haus«
17.00-18.00 Vortragende, geladene Diskutanten und Gäste mit Stephan Pinkau, Christoph Engemann, Christof Windgätter: »Zur Typologie der Hütte«
Um Anmeldung wird aus Platzgründen gebeten: bwg.huette@hu-berlin.de