Objekte der wissenschaftlichen Sammlung
Das Objekt des Monats Oktober 2011 wird präsentiert von:
Wissenschaftliche Sammlungen und Wissenschaftskommunikation,
Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik, Humboldt-Universität zu Berlin
The XV. Bookes of P. Ouidius Naso, Entituled, Metamorphosis. Translated out of Latine into English Meeter, by Arthur Golding, Gentleman
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Foto: Heike Zappe
London, 1603
14,7 cm x 18,8 cm x 3,1 cm
„Heiner Müller Archiv / Transitraum“ am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin
Über den Kauf dieses Buches berichtet Heiner Müller Alexander Kluge im Gespräch „Heiner Müller im Zeitenflug“ 1995 kurz vor seinem Tod: „Ja, das war in Santa Monica. Da sitzt ein ungeheuer dicker Mensch, der aussieht wie eine Riesenschildkröte, am Ende eines ganz langen Flurs im Antiquariat mit einer sehr tollen Auswahl besonders von alten, sehr alten Büchern. Das ist eine Ausgabe von 1603 […] die ist in Versen, auch gereimt, Alexandriner, […] eine ungeheure Arbeit. Ich bin darauf gekommen eigentlich nur durch Ezra Pound. Er erwähnt das als die beste Übersetzung überhaupt in der englischen Literatur. Und Golding war offenbar […] eine Quelle für Shakespeare. Shakespeare hat das gelesen, und Shakespeare lebt sehr von Ovid.“ Den Schriftsteller Heiner Müller, der sich, wenn es ihm schlecht ging, alte Bücher gekauft hat und den nichts so sehr kränkte, „als wenn Bücher schlecht behandelt werden“, interessierte vor allem die Aktualität Ovids. In einer seiner berühmten Gedankenketten findet Müller Erfindungen und Foltermethoden in der Geschichte der Menschheit schon bei Ovid vor und liest diese auch als „Versuch, eine Zivilisation zu konstituieren“, der jedoch scheitert. Angesichts seines bevorstehenden Todes assoziiert Müller die Verwandlung jedoch auch mit „Tröstung“: „Also wenn man ein Baum wird, kann einem nichts mehr passieren. Wenn man ein Stein wird, kann einem auch nichts mehr passieren. […] Und das Ziel ist eigentlich, mich zu verwandeln […] in unbedrohbaren Staub.“*
Dieses Buch ist nur ein wertvolles älteres Exemplar des 7800 Bände umfassenden Gesamtbestands der Müllerschen Bibliothek, die neben weiteren Gegenständen und Kunstwerken aus seinem Besitz im „Heiner Müller Archiv / Transitraum“ aufbewahrt wird und damit als wichtige Arbeits- und Forschungsstätte nicht nur Heiner-Müller- und Theaterliebhaber anlockt. Jedes Buch kündet hier, neben seinem ureigenen Inhalt, auch von jenen, durch deren Hände es ging.
Kristin Schulz
*Alle Zitate stammen aus dem Müller-Kluge-Fernsehinterview: „Heiner Müller im Zeitenflug“, ausgestrahlt am 29.1.1996 [SAT 1]; nachzulesen und anzuschauen auf der Homepage der Cornell Universitätsbibliothek (Stand: 09/2011)
Vom 20.10. bis zum 17.11.2011 zeigt das „Heiner Müller Archiv / Transitraum“ die Ausstellung: „Fürs Erste sind wir in der LPG.“ 50 Jahre Heiner Müllers „Die Umsiedlerin oder Das Leben auf dem Lande“. Anlässlich der 50-jährigen Uraufführung des Stückes, das 1961 in der DDR einen Theaterskandal auslöste und zum Umschlagpunkt in Heiner Müllers Leben und Werk wurde, wird eine Auswahl an Manuskripten und Typoskripten aus dem Nachlass präsentiert. Zudem werden neben einem Schüler-Schreibprojekt zur „Umsiedlerin“ zahlreiche Gegenstände aus Müllers Besitz vorgestellt.
In Kooperation mit dem Heiner-Müller-Archiv der Akademie der Künste, Berlin
Eröffnung: 20.10.2011, 18 Uhr (mit B. K. Tragelehn, dem Regisseur der Uraufführung, und weiteren Gästen)
Öffnungszeiten: Dienstag – Donnerstag, 10 – 16 Uhr
Dorotheenstr. 24, 10117 Berlin, Raum: 3.444
Kontakt: Dr. Kristin Schulz