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Objekte der wissenschaftlichen Sammlung

Das Objekt des Monats Januar 2012 wird präsentiert von:
Wissenschaftliche Sammlungen und Wissenschaftskommunikation,
Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik, Humboldt-Universität zu Berlin

Modell des Bergsturzes von Goldau

Modell des Bergsturzes von Goldau

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Foto: Oliver Zauzig

Zwei einzelne Reliefs, je 110 cm lang, 60 cm breit, unter Glasabdeckung. Gezeigt wird die Situation vor und nach dem Bergsturz.
Standort: Geographisches Institut in Adlershof
Geomorphologisch-Geologische Sammlung

Am 2. September 1806 stürzt die Südflanke des Rossberges im Kanton Schwyz ins Tal. Circa 40 Mio. Kubikmeter Fels geraten aufgrund ihrer geologischen Lagerung und geomorphologischen Formung ins Rutschen. Auslöser sind die Wetterereignisse der vorangegangenen Tage. Die Dörfer Röthen, Buosingen und Goldau werden unter der Gesteinslawine begraben, wodurch das natürliche geologische Phänomen einer Bergbewegung zur Katastrophe wird, bei der 457 Menschen ihr Leben lassen.
Wissenschaftshistorisch betrachtet findet dieser Bergsturz sein Echo in einer sich gerade formierenden Disziplin. Aber nicht etwa wegen seines zerstörerischen Ausmaßes – es gab und gibt größere Bergstürze - sondern vor allem im Kontext der nicht nur beschreibenden, sondern auch erklärenden Geowissenschaften wird er zum bedeutsamen Untersuchungsgegenstand. Der Bergsturz von Goldau wird nicht, wie es beim großen Erbeben von Lissabon 1755 noch vielerorts getan wird, als Strafe Gottes gedeutet. Naturforscher verweisen auf natürliche Prozesse als Erklärung.

Der Schweizer Schneider Joseph Martin Baumann (1767-1837) modelliert bereits kurz nach dem Ereignis ein Relief in den Maßen 2,25 m x 0,95 m, das die Situation vor und nach dem Bergsturz detailtreu wiedergibt. Neben diesem großen fertigt er noch kleinere Modelle von circa 1,10 m x 0,60 m bzw. 0,80 m x 0,60 m. Das große Echo auf seine 'Kunstwerke' ist für Baumann Anlass, seinen Beruf aufzugeben und fortan mit dem Reliefbau und der Zurschaustellung der Objekte seinen Unterhalt zu verdienen.
Das Berliner Modell ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Nachbau eines Baumannschen Originals. Wann aber wird es gefertigt und wie kommt es nach Berlin? Nur so viel kann als gesichert gelten: Schulden zwingen Baumann, seine Reliefs nach einer finanziell erfolglosen Tour durch Süddeutschland im Jahr 1817 zu versetzen. Danach verliert sich ihre Spur erst einmal. Mehr als vierzig Jahre später findet Felix Donat Kyd, der als Dolmetscher und Gehilfe für Baumann tätig gewesen ist, die kleineren Originale wieder und erwirbt diese. Kyd stellt die Reliefe wieder aus, lässt Duplikate anfertigen und treibt Handel damit, bevor er die Baumannschen Originale dem Kanton Schwyz verkauft. Eines dieser Duplikate scheint in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an das Geographische Institut der Berliner Universität gekommen zu sein, wo es heute noch im Erdgeschoss des Altbaus in Adlershof ausgestellt ist.

Um die Geschichte dieses und anderer Objekte, ihre Kontexte und Verwendungsweisen nachvollziehen zu können, werden gegenwärtig am Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität deutschlandweit Modelle aus universitären Sammlungen erfasst. Das Projekt wird von der DFG noch bis Mitte 2012 gefördert. Die Forschungsdatenbank baut auf das Vorgängerprojekt zu universitären Sammlungen und Museen in Deutschland auf und ist für eine dezentrale Eingabe von Objekten konzipiert. So haben Sammlungsbeauftragte die Möglichkeit, ihre Modelle weltweit der Forschung und allen anderen Interessierten zugänglich zu machen. Der Wert einer universitären Sammlung steigt letztendlich mit ihrem Bekanntheitsgrad und dem Wissen über die in ihr erhaltenen Schätze.

Modelle werden in der Datenbank als greifbare physische Objekte definiert, die einen Bezugsgegenstand haben, der entweder materieller oder ideeller Natur sein kann. Um eine Grundordnung der Objekte zu schaffen, wurden acht Modellarten entwickelt. Der Bergsturz von Goldau ist unter den „Landschaftsmodellen“ zu finden.
Oliver Zauzig

Weitere Informationen: http://www.universitaetssammlungen.de/modell/239


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