Ort
Kinosaal der Humboldt-Universität zu Berlin
Unter den Linden 6

Ulrich Raulff ist seit November 2004 Direktor des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs in Marbach am Neckar. Als Herausgeber von Texten Aby Warburgs, Friedrich Gundolfs und Hans Delbrücks sowie als Übersetzer zahlreicher französischer Werke u. a. von Michel Foucault, Lucien Febvre und Jean Starobinski hat sich Raulff einen Namen in Publizistik und Wissenschaft gemacht. Beredtes Zeugnis davon legen der Anna-Krüger-Preis des Wissenschaftskollegs in Berlin für wissenschaftliche Prosa und der Hans-Reimer-Preis der Aby-Warburg-Stiftung in Hamburg ab, die ihm in den Jahren 1996 und 1997 verliehen wurden. Von 1997 bis 2001 leitete er das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für seine neue Aufgabe im Literaturarchiv verließ Raulff das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung, dessen leitender Redakteur er seit 2001 war.

Mit seinem Amtsantritt beim Marbacher Literaturarchiv vollzog sich ein symbolischer Generationenwechsel an einer der bedeutendsten deutschen Kultureinrichtungen. Erstmalig in der Geschichte des Hauses übernimmt mit Ulrich Raulff ein Vertreter der Nachkriegsgeneration die Leitung — ein Wechsel, der sich bereits in seiner – wie es in der Frankfurter Rundschau hieß – leichtfüßigen, bisweilen sogar romantisch-ironisch anmutenden Antrittsrede andeutete.

»Theseus muss das Labyrinth betreten, obgleich er weiß, dass in ihm die Schrecken des Todes und der Verwirrung lauern. Umgekehrt muss die Literatur ins Archiv eintreten, will sie den Schrecken der Vernichtung und der Verstreuung entgehen, dem drohenden Verlust und der Unordnung. Die Literatur muss ins Archiv eingehen, will sie in ihrer spröden und fragilen Materialität erhalten bleiben. Aber sie verlässt sie – ob in edierter oder exponierter Form, publiziert als Buch oder als Ausstellung, ins Netz gestellt oder vor Zuhörern vorgetragen – in einem anderen Aggregatzustand, fast möchte man sagen: einer anderen Seinsform. Mag sein (sofern dies nicht nur eine reichlich rousseauistische Vorstellung ist), dass die Literatur das Archiv als wilder Kerl betritt. Aber wenn sie es verlässt, ist sie eine Kulturtatsache (und insofern legitimes Objekt einer Kulturwissenschaft).«

Ausgewählte Veröffentlichungen:

  • Ein Historiker im 20. Jahrhundert: Marc Bloch, Frankfurt/M 1995
  • Der Unsichtbare Augenblick. Zeitkonzepte der Geschichte, Göttingen 1999
  • Wilde Energien. Vier Versuche zu Aby Warburg, Göttingen 2003
  • Zahlreiche Übersetzungen v.a. aus dem Französischen, u.a. Werke von Michel Foulcault, Lucien Febvre u. Jean Starobinski sowie Herausgeber von Texten Aby Warburgs, Friedrich Gudolfs u. Hans Delbrücks