Ort
Kinosaal der Humboldt-Universität zu Berlin
Unter den Linden 6

Christiane Nüsslein-Volhard ist seit 1985 Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und Direktorin des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen. Frau Nüsslein-Volhard begann ihr Studium mit den Fächern Biologie, Physik und Chemie. Als 1964 in Tübingen erstmals ein Lehrplan für Biochemie herausgegeben wurde, entschied sie sich für diesen Schwerpunkt und verließ ihren bisherigen Studien- und Heimatort Frankfurt. Nach dem Diplom in Biochemie folgte, ebenfalls in Tübingen, die Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Virusforschung. Dann begannen die entwicklungsbiologischen Studien an der Fruchtfliege, die zu weitreichenden Ergebnissen führten. Insbesondere konnte Frau Nüsslein-Volhard nachweisen, daß die embryonale Gestaltbildung durch das Diffusionsverhalten spezifischer Substanzen in der Eizelle gesteuert wird, die die weitere genetische Aktivität bestimmen. Es liegt also kein sogenannter »Bauplan« zugrunde, sondern eher eine »Bauanleitung« dafür, welche Gene in bestimmten Entwicklungsphasen und an bestimmten Orten innerhalb des wachsenden Wesens eingeschaltet werden, um an der richtigen Stelle die Organe zu bilden. Frau Nüsslein-Volhard konnte nachweisen, daß es eine Art Übersetzung verschiedener Quantitäten von Stoffen in unterschiedliche Qualitäten von Zellen gibt. Und hierin liegt auch der Schlüssel für die vielbesprochene Diagnostik: So ist zum Beispiel frühzeitig feststellbar, ob Individuen aus genetisch belasteten Familien Träger des Gendefekts sind. Es zeigt sich, wie wichtig die Forschung an der Drosophila, Frau Nüsslein-Volhards bevorzugtem Forschungsobjekt neben den Zebra-Fischen, auch für den Menschen ist.

»Zuweilen drängt sich der Verdacht auf, dass ein Teil der heutigen Aufregung diesen vielleicht noch nicht vollständig akzeptierten biologischen Erkenntnissen der Verwandtschaft der Menschen mit den Tieren gilt«, sagt Christiane Nüsslein-Volhard, und macht damit klar, welche Erschütterungen des menschlichen Selbstverständnisses immer noch von der Biologie ausgehen.

1995 wurde sie zusammen Eric F. Wieschaus (USA) und Edward B. Lewis (USA) für die Entdeckung genetischer Steuerungsmechanismen der Embryonalentwicklung mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin ausgezeichnet.

Ausgewählte Veröffentlichung:

  • Nüsslein-Volhard, Christiane: Of fish, fly and man: lessons from developmental biology for human gene function and disease, Springer
    2000.