Mulsow - Helmholtz Vorlesung Juni 2012
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Mulsow - Helmholtz Vorlesung Juni 2012
Ort
Kinosaal der Humboldt-Universität zu Berlin,
Unter den Linden 6

Prof. Dr. Martin Mulsow (Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt) zählt zu den international führenden Forschern auf dem Gebiet der Geistes- und Philosophiegeschichte der Frühen Neuzeit. Er ist Direktor des Forschungszentrums Gotha für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien an der Universität Erfurt sowie Inhaber des Lehrstuhls für Wissenskulturen der europäischen Neuzeit. Er widmet sich interdisziplinärer Frühneuzeitforschung, die zwischen Philosophiegeschichte, Ideengeschichte, historischer Anthropologie und Kulturgeschichte angesiedelt ist.

»Wie kann Ideengeschichte im 21. Jahrhundert aussehen? Was sind die Aufgaben, die auf diese Disziplin warten? Es besteht kein Zweifel, dass in Zeiten der Globalisierung eine Europazentriertheit der Ideengeschichte nicht länger vertretbar ist. Darin liegt zugleich eine große Chance. Aber wie können weitreichende transkulturelle Bezüge von geistigen Transferprozessen rekonstruiert werden, ohne die Kompetenzen des Forschers zu überdehnen? Bisher verfolgen erste Ansätze einer ›global intellectual history‹ zumeist politische und wissenschaftliche Begriffe des 19. und 20. Jahrhunderts auf ihren komplexen Wegen um den Globus. Der Vortrag wird hingegen das Feld für die Vormoderne sondieren. Wie ist dort eine kontrollierte, ›agglutinierende‹ Ausweitung über Europa hinaus denkbar? Ich werde anhand von Beispielen räumliche und tiefenzeitliche Transfers unterscheiden, werde typische Fragestellungen transkultureller Ideengeschichte herausarbeiten, werde Probleme benennen und nicht zuletzt forschungspraktische Anregungen dafür geben, wie Transkulturalität ohne Niveauverlust erforscht werden kann. Beispiele berühren die Präadamitenthese zwischen dem sassanidischen Persien des 7. Jahrhunderts und dem Frankreich des 17. Jahrhunderts, die Rezeptionswege des Hermetismus zwischen Ägypten, Byzanz, Italien und Deutschland sowie alchemische Vorstellungen zwischen Indonesien und Europa. In der Geschichtswissenschaft gibt die Verflechtungsgeschichte (entangled history) Leitlinien vor, wie kulturelle Interferenzen beschrieben werden können. Doch welche Rolle spielen Ideen in solchen Verflechtungen?«

Martin Mulsow, geb. 1959, studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte in Tübingen, Berlin und München. 1991 erwarb er seine Doktorwürde an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), wo er sich im Jahr 2000 im Fach Philosophie habilitierte. 2001–2005 leitete er an der LMU München ein Teilprojekt über gelehrte Libertinage im 17. Jahrhundert. 2005 hatte er eine Professur für Geschichte an der Rutgers University in New Brunswick NJ, USA, inne. Darüber hinaus ist Martin Mulsow seit 2010 Mitherausgeber der Zeitschrift »Aufklärung. Interdisziplinäres Jahrbuch zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte«. Für seine Arbeiten wurde er mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Karl Jaspers Förderpreis der Universität Oldenburg für den besten jungen Philosophen (2004), zweimalig mit dem Selma V. Forkosch Prize für den besten Artikel im Journal of the History of Ideas (2005 und 2007) sowie dem Wissenschaftspreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (2011).

Mehr zum Thema:

  • Mulsow, Martin (Hrsg.): Die Cambridge School der politischen Ideengeschichte. Berlin: Suhrkamp. 2010.
  • Mulsow, Martin: Moderne aus dem Untergrund. Radikale Frühaufklärung in Deutschland 1680 – 1720. Hamburg: Meiner. 2002.
  • Mulsow, Martin & Mahler, Andreas (Hrsg.): Texte zur Theorie der Ideengeschichte. Stuttgart: Reclam. 2012.