Ort
Kinosaal der Humboldt-Universität zu Berlin
Unter den Linden 6

Hans Ulrich Gumbrecht, 1948 in Würzburg geboren, hat seit 1989 die Albert-Guérard-Professur für romanistische Literatur am Department of Comparative Literature der Stanford University inne. Er studierte Romanistik, Germanistik, Philosophie und Soziologie in Deutschland, Spanien und Italien und lehrte danach an den Universitäten Konstanz, Bochum und Siegen. Zwischen 1981 und 1989 organisierte Gumbrecht am »Inter-University Center Dubrovnik« fünf interdisziplinäre Forschungskolloquien über die erkenntnis-theoretische Neuorientierung der Geisteswissenschaften. Sein anhaltendes Interesse an den Schnittstellen verschiedener Disziplinen bezeugen weitere Kolloquien aus der jüngeren Stanforder Zeit, u.a.: »Beyond Dualism. Epistemological Convergences between the Sciences and the Humanities« (1994), »The Athlete‘s Body« (1995) und »Body / Ethics« (1996). Die beiden letzteren lassen darüberhinaus eine Beschäftigung mit jenem besonderen Thema ahnen, über das Gumbrecht während seines Berlin-Besuchs sprechen wird:

»Zusammen mit dem Gymasium des 19. und 20. Jahrhunderts haben es die ›Olympischen Spiele der Neuzeit‹ zu einer Gewissheit des allgemeinsten (und auch des trivialsten) Bildungswissens werden lassen, dass der Sport, so wie wir ihn kennen und praktizieren, ›seit der Zeit der alten Griechen bis heute‹ ohne Unterbrechung existiert habe. Gegen diese Prämisse läßt sich problemlos argumentieren, dass die Ursprünge von Sport als einer kulturellen Form unserer Gegenwart nicht weiter als ins frühe 19. Jahrhundert zurückgehen – was bestimmte Phänomene entfernterer Vergangenheiten (wie zum Beispiel die Olympischen Spiele der Antike, römische Gladiatorenspiele, mittelalterliche Turniere oder den calcio in den italienischen Städten der Renaissance) dann als Versatzstücke einer prekären Vorgeschichte erscheinen läßt.«

Auf die Fragen, a) wie sich eine solche diskontinuierliche Vorgeschichte mit der Gegenwarts-Geschichte des Sports vermitteln laesst, b) wie man überhaupt die Geschichte einer nicht primär auf Sinn gerichtete Praxis konzipieren soll, und c) ob diese besondere Geschichte ein Potential der Prognose für die Zukunft des Sports entfalten kann, wird der Vortrag von Hans Ulrich Gumbrecht – als Skizze einer Erzählung und als Reflexion über diese Erzählung – erste Antworten zu formulieren versuchen.

Ausgewählte Veröffentlichungen:

  • H. U. Gumbrecht: Vom Leben und Sterben der großen Romanisten, München 2002.
  • Ders.: 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit, Frankfurt 2001.