Schallplatte
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Schallplatte
Projekt (abgeschlossen)
Active Matter

Analogspeicher I

Projekt in Kooperation mit Humboldt Innovation.

Forschungsthema

Abseits des digitalen Paradigmas der Klangspeicherung soll von der Schallplatte ausgehend untersucht werden, ob sich für zukünftige Speichertechnologien neue Ansätze finden lassen. Dafür werden analoge Verfahren unter Rückgriff auf aktuelle Technologien und Wissensbestände einer experimentellen Prüfung unterzogen.

Große Informationsmengen lassen sich durch die Gestaltung von Oberflächen oder Grenzflächen speichern: So etwa von Scheiben und Zylindern die, zunächst analog und heute digital, als Schreibraum fungieren. Um Informationen mit möglichst hoher Dichte und Geschwindigkeit zu speichern, rotieren diese in Gestalt von Schallplatten, Festplatten oder Digital Versatile Discs. Aktuell scheint sich mit den Flash-EEPROMs oder Race-track-Speichern ein Paradigmenwechsel zu vollziehen, indem entweder auf die Bewegungskomponente verzichtet oder eine lineare Bewegung zugrunde gelegt wird.

Um die wissenshistorischen und technisch-experimentellen Kompetenzen der beteiligten Forscher_innen zusammenführen zu können, ist die Klangspeicherung strategischer Ausgangspunkt des Projekts. Klang wird seit den 1990er Jahren nahezu ausschließlich in digital codierter Form auf Scheiben gespeichert. Diskussionen um Vor- und Nachteile digitaler Speicherung, Übertragung und Verarbeitung von Daten sind dabei hinlänglich bekannt und neue Argumente kaum noch zu erwarten. Es scheint, dass die »digitale Revolution« im Bereich der Musik nach einhundert Jahren Analogspeicherung mit dem Computer zu ihrem logischen Ende gekommen ist. Auch die sich hartnäckig behauptende Minderheit von HiFi-Liebhaber_innen – derzeit machen Schallplatten nur ein Prozent des deutschen Musikumsatzes aus – belegt bestenfalls die These vom niemals vollständigen Aussterben eines Mediums, als dass hieraus eine ernsthafte Infragestellung des digitalen Paradigmas erfolgen könnte.

Bei genauer Betrachtung der Geschichte der analogen Schallspeicherung zeigt sich, dass diese seit der Patentierung des sogenannten Füllschriftverfahrens durch den deutschen Erfinder und Chefredakteur der »Hörzu« Eduard Rhein (1949) nicht mehr weiterentwickelt wurde. Nach wie vor wird der analoge Datenstrom mechanisch in eine Lackplatte geschnitten und von dieser werden Matrizen angefertigt, deren Oberfläche dann in eine Polyvinylchlorid-Scheibe gepresst wird. Diese wird vom Verbraucher rein mechanisch abgetastet, wobei die Physik dieser Operationskette den Klang entscheidend beeinflusst. Seit Anfang der 1990er Jahre gibt es den wirtschaftlich unrentablen Versuch, herkömmliche Langspielplatten mittels Laser berührungsfrei abzutasten.

Zielsetzung

Das Projekt kann und möchte das digitale Paradigma der Klangspeicherung weder in Frage stellen, noch diesem entgegenarbeiten. Vielmehr soll ausgehend von der Schallplatte untersucht werden, ob sich für zukünftige Speichertechnologien neue Ansätze finden lassen. Dabei werden analoge Verfahren mit aktuellen Technologien und Wissen einer experimentellen Prüfung unterzogen. Exemplarische Ansatzpunkte sind: Gibt es Alternativen zur spiralförmigen Aufzeichnung? Bis zu welchem Grad kann die Tonrille mit welchen Verfahren verkleinert werden? Welche Tonträger bieten sich als Alternative für das mechanische Abtastverfahren an? Welche Formen der mechanischen Abtastung wie bspw. die Rastersondenmikroskopie sind denkbar?

Ziel des Projekts ist es, an der disziplinären Schnittstelle von Kultur- und Naturwissenschaften, d. h. durch Historisierung und Experimentalisierung der analogen Datenspeicherung, ein Wissen zu gewinnen, das für zukünftige Speichertechnologien produktiv werden könnte. Dabei sollen experimentelle Apparate realisiert und die Möglichkeit hybrider Analog-Digital-Strategien bewertet werden.

Durchführung

Ausgangspunkt stellt eine Analyse der einzelnen historischen Komponenten des Aufzeichnungs- und Speicherverfahrens dar: Die Rotation von Zylindern oder Scheiben als Grundoperation, die grafischen Oberflächen des Speicherraums, die Spirale als Verdichtung und Beschleunigung der Aufzeichnung, die Komplementarität von Aufzeichnung und Abtastung. Alle diese Elemente müssen zunächst vollständig erhoben und in ihrer materialen, technischen und epistemischen Anordnung analysiert werden. In einer zweiten Phase werden die unterschiedlichen historischen Stadien experimentell erprobt und die Ergebnisse als konkrete Apparate realisiert.

Ergebnissicherung

Von gestalterischer Seite her ist zu prüfen, ob die im Projekt entstehenden experimentellen Apparate als »Analogspeicher« alltagspraktisch relevant werden könnten. In Kooperation mit Humboldt Innovation sollen Möglichkeiten einer Produktfähigkeit getestet und gegebenenfalls eine entsprechende Ausgründung vorgenommen werden.