Wissen und Kontroversen über koloniale
Gewalt, antikolonialen Widerstand, menschliche Überreste und Objekte aus
den ehemaligen Kolonien in Museen und Sammlungen
Laufzeit: 9. November 2018 bis 19. Januar 2019
Die
Geschichte kolonialer Gewalt wird auf sehr unterschiedliche Weise
erinnert. Sie betrifft die individuelle und kollektive Erinnerung von
Nachkommen der Opfer. Sie ist eng mit Museen und Sammlungen verbunden,
in denen menschliche Überreste und Objekte aus den ehemaligen Kolonien
aufbewahrt werden. Sie ist Teil der Geschichte der Universitäten –
einschließlich der Humboldt-Universität – wo Sammlungen beforscht
wurden, die zur wissenschaftlichen Begründung von Kolonialismus und
Rassismus beigetragen haben.
An was erinnert wird, wie das geschieht
und wo die materiellen Zeugnisse aufbewahrt werden, hängt davon ab, wer
spricht. In vier Kapiteln zeigt The Dead, as far as [ ] can remember die
Vielfalt des Wissens und die Kontroversen über die Kolonialgeschichte
mit transnationalen Stimmen aus der Vergangenheit und Gegenwart,
bildenden und darstellenden Künstler_innen, Wissenschaftler_innen,
Museumsmitarbeiter_innen und dekolonialen Aktivist_innen.
Die
Ausstellung wird ergänzt durch ein Rahmenprogramm mit Performances,
Vorträgen und Diskussionen, die den aktuellen Stand der Forschung an der
Humboldt-Universität mit außeruniversitären Perspektiven in Verbindung
bringen.
Mangi Meli RemainsIn Old Moshi,
Tansania, wird ein Kopf vermisst. Chief Mangi Meli kämpfte dort gegen
die deutsche Kolonialmacht und wurde im Jahr 1900 hingerichtet. Sein
Kopf, so erzählt man sich bis heute, sei nach Deutschland verschifft
worden. Felix von Luschan hortete damals tausende Schädel aus aller Welt
für die ‚Rassenlehre‘ im Völkerkundemuseum. Noch immer lagern viele
davon in Berlin, auch aus Old Moshi. Mangi Melis Enkel sucht seit 50
Jahren nach dem Haupt seines Großvaters, bis jetzt ohne Erfolg.
Doch
Spuren von Mangi Meli finden sich in Liedern, Erzählungen und Archiven.
Ein tansanisch-deutsches Team entwickelt daraus eine Videoskulptur, ein
Animationsfilm zeichnet das Leben des Freiheitskämpfers, seinen
gewaltsamen Tod und die mögliche Reise seines Kopfs nach. Historische
Fotos und Dokumente ergänzen die Ausstellung.
Mangi Meli Remains wird
von Berlin über Dar Es Salaam nach Old Moshi reisen und dort am
Originalschauplatz dauerhaft an Mangi Meli und das Fehlen seines Haupts
erinnern.
Schädel X – Postkoloniale Lecture Performance von Flinn Works ist Teil von Mangi Meli Remains und wird am 26. Oktober, 3. und 9. November 2018 im TA T aufgeführt.
Dead Images
Methoden
des Sammelns, Messens, Kategorisierens, Lagerns und Darstellens von
Schädeln, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelt wurden, waren
in Kolonialismus und wissenschaftlichen Rassismus verwickelt.
Anthropometrie, ‚Typen‘ und andere Formen der anthropologischen
Fotografie - entwickelt als Werkzeuge zur Messung, Klassifizierung und
Rassifizierung der Lebenden - hatten neben der Erforschung der Überreste
der Toten Konjunktur.
Dead Images untersucht das komplexe und
strittige Erbe zweier Sammlungen, die in der Anthropologischen
Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien aufbewahrt werden. Eine
dieser Sammlungen besteht aus über 40.000 menschlichen Schädeln.
Innerhalb dieser Sammlung ist eine zweite Sammlung von über 50.000
anthropologischen Fotografien untergebracht. Durch multidisziplinäre
Forschung, eine Wanderausstellung, ein Bildungsprogramm und öffentliche
Veranstaltungen reflektiert das Dead Images die ethischen, wissenschaftlichen und politischen Implikationen solcher Sammlungen und ihrer Ausstellung.
Breaking the Silence I - Der Zorn des Mdachi bin SharifuIm
Spätsommer 1919, kurz nach Deutschlands endgültigem Verlust seiner
Kolonien, tritt ein junger Ostafrikaner namens Mdachi bin Sharifu in
mehreren Städten als Redner über »Unsere koloniale Vergangenheit« auf.
In Berlin, Erfurt und Hamburg ist es das erste Mal, dass ein Schwarzer
diesbezüglich das Wort ergreift. Doch nicht allein deshalb rufen seine
Auftritte im ‚weißen‘ Publikum heftige Reaktionen hervor. Nach der
regierungsseitigen Unterdrückung einer Petition der afro-deutschen
Community um Martin Dibobe aus Kamerun geht Sharifu nun sowohl mit dem
deutschen Kolonialregime als auch mit dem anhaltenden Kolonialrassismus
in Deutschland öffentlich ins Gericht.
Ausgehend von ausgewählten
Fotografien aus der Sammlung des Plantagenbesitzers Karl Vieweg, welche
die Botschaft Tansanias dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat,
hinterfragt der Raum von Berlin Postkolonial den langlebigen Mythos von
der Loyalität der Kolonisierten zum deutschen Kaiserreich.
Just Listen – Stimmen zu Erinnerungspolitik und Deutscher KolonialgeschichteBis
heute prägt Kolonialrassismus das Zusammenleben der Menschen weltweit.
Dennoch und gerade deshalb findet das Thema in Europa und den USA wenig
Beachtung: Nicht gern spricht der Westen über die Zeit seiner
gewalttätigen Expansion, über Versklavungshandel und Genozid – schon gar
nicht mit den Nachfahren der Kolonisierten selbst.
Just Listen
ist ein Kooperationsprojekt von Studierenden der Freien Universität
Berlin in Zusammenarbeit mit Leftvision und Berlin Postkolonial und soll
einen Anstoß geben, sich mit der Geschichte und den Kontinuitäten des
Kolonialismus kritisch zu beschäftigen. Das Projekt stellt daher die
Perspektiven von Rassismus Betroffener in den Mittelpunkt.
Aktivist_innen und Expert_innen, die sich seit vielen Jahren für eine
verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Rassismus
einsetzen, gehen in Interviews auf wichtige Fragen zum Umgang mit der
deutschen Kolonialzeit und der gemeinsamen Aufarbeitung ein.
Veranstaltungen
26.10./3.11./9.11.2018, jeweils 20 Uhr
Schädel X
Lecture-Performance von Flinn Works, Tickets unter: www.reservix.de
20.11.2018, 19 Uhr
Künstlerische Forschung und kreative Praxis zu kolonialen Sammlungsbeständen und (post-)kolonialen Erinnerungskulturen (englisch)
Podiumsdiskussion mit Amani Abeid, Anaïs Héraud-Louisadat, Nathalie Anguezomo Mba Bikoro (angefragt), Dr. Lili Reyels
Moderation: Anne Fleckstein
8.12.2018, 19 Uhr
Verlorene Form. Eine transdisziplinäre Auseinandersetzung mit Lebendabgüssen in Gips
Vortrag von Dr. Britta Lange, Thomas Schelper, Kerstin Stoll
17.01.2019, 19 Uhr
Provenienzforschung zwischen Forensik und Erinnerungskultur
Ein Gespräch mit Dr. Larissa Förster und Dr. Holger Stoecker
Moderation: Felix Sattler
Impressum
Mangi Meli Remains
Eine
Flinn Works Produktion in Zusammenarbeit mit dem Ethnologischen Museum
Berlin und dem Tieranatomischen Theater an der Humboldt-Universität zu
Berlin. Gefördert durch die Senatsverwaltung für Kultur und Europa, das
Goethe-Institut Tansania und Between Bridges.
Dead Images
Eine
Produktion von Tal Adler (Künstler, CARMAH Humboldt-Universität) mit
Linda Fibiger (Bioarchäologin, Universität Edinburgh), John Harries
(Sozialanthropologe, Universität Edinburgh), Joan Smith (Künstlerin,
Edinburgh College of Art), Anna Szöke (Kunsthistorikerin, CARMAH
Humboldt-Universität), Maria Teschler-Nicola (Physische Anthropologin,
NHM Wien). Dead Images ist Teil des EU H2020 Projektes TRACES.
Breaking the Silence I - Der Zorn des Mdachi bin Sharifu
Eine
Produktion von Berlin Postkolonial. Dank an die Botschaft der
Vereinigten Republik Tansania, die Stiftung Nord-Süd-Brücken, die
Berliner Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit, Engagement Global
im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Just Listen – Stimmen zu Erinnerungspolitik und Deutscher Kolonialgeschichte
Eine Produktion von Studierenden der Freien Universität Berlin in Kooperation mit Leftvision und Berlin Postkolonial.
The Dead, as far as [ ] can remember wurde
kuratiert von Felix Sattler. Die Ausstellung ist Teil des Programms der
Humboldt-Universität zur diesjährigen Berlin Science Week.