VERLÄNGERT bis zum 26. Januar 2017.
Ausstellung / Exhibition
Longing for Landscape – Landschaftsfotografie im Anthropozän
1. Oktober 2016 – 1. Dezember 2016
CUCO berlin präsentiert vom 1. Oktober bis zum 1. Dezember 2016 die Ausstellung Longing for Landscape - Landschaftsfotografie im Anthropozän.
Eröffnung: 10. Oktober 2016, 18 Uhr | Veranstaltungsort: Tieranatomisches Theater | Eintritt frei
Mit dem im Titel der Ausstellung verwendeten Begriff „Anthropozän“ verbindet sich die gegenwärtig geführte Diskussion darüber, ob und wann wir in eine neue, maßgeblich durch den Menschen beeinflusste geochronologische Epoche eingetreten sind. Durch die Ausweitung der Städte, den Ausbau der industriellen Landwirtschaft und den groß angelegten Abbau von Ressourcen hinterlässt der Mensch immer hartnäckiger seine Spuren auf der Oberfläche des Planeten. Wie verändern diese vor allem durch Politik und Wirtschaft vorangetriebenen Einflüsse unsere Lebensumwelt und das Klima? Ist es sinnvoll eine anklagende Position einzunehmen oder sollten wir akzeptieren, dass Menschheits- und Erdgeschichte so eng miteinander verwoben sind, dass sie kaum getrennt voneinander betrachtet werden können?
Seit der Erfindung der Fotografie zeichnen Fotografen die durch den Menschen bedingten landschaftlichen Veränderungen gewollt oder ungewollt auf. In den Fokus rückten Motive wie Industrieanlagen, Baustellen und Anzeichen der Naturausbeutung bereits 1975, als mit der New Yorker Ausstellung New Topographics: Photographs of a Man-altered Landscape, die u.a. Werke von Robert Adams, Stephen Shore sowie Bernd und Hilla Becher zeigte, eine Bewegung der Fotografie begründet wurde, die sich vom Idealbild einer vom Menschen unberührten Natur verabschiedete. Hat sich der fotografische Ausdruck seither verändert? Welche Aspekte des Anthropozän-Gedankens greifen Fotografen der Gegenwart in ihren Werken auf?
In vier Räumen lässt die Ausstellung Longing for Landscape – Landschaftsfotografie im Anthropozän Aufnahmen von internationalen Künstlern in Dialog treten. Im Zentrum steht der Fotograf als Erforscher anthropogener Strukturen, der den Wandel zeitgenössischer Landschaften sichtbar macht.
Olaf Otto Becker beschäftigt sich in seinen großformatigen Landschaftsaufnahmen seit vielen Jahren mit Zeugnissen des Klimawandels. Die von einer hohen, in Island gelegenen Staumauer aus aufgenommene Fotografie Canyon of Jökulsá á Brú (2010) zeigt eine tiefe Schlucht, in der nur mehr ein Rinnsal Wasser fließt. Der ehemalige Gletscherfluss, der sich in das Vulkangestein eingegraben hatte, wurde durch einen Stausee trockengelegt. Die Anlage, die in einem der letzten Naturschutzgebiete Europas liegt, unterhält mit der produzierten Energie ein nahe gelegenes Aluminiumwerk.
In ihrer Serie Troubled Water spürt die Berliner Künstlerin Constanze Flamme den Folgen der Zerstörung der Ölplattform Deepwater Horizon nach. Aufgenommen von einem Boot auf dem Mississippi-River, der nahezu den gesamten nordamerikanischen Kontinent durchfließt, spricht Flammes Bild New Orleans, Mississippi (2011) von der unheilvollen Wechselbeziehung von Wasser und industrieller Verschmutzung.
In seiner Serie Verkehrsprojekte Deutsche Einheit beschäftigt sich Hans-Christian Schink mit dem nach der Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland rasant vorangetriebenen Ausbau automobiler Verkehrswege. Die Aufnahme A71 - Brücke Schwarzbachtal (1997) zeigt, wie sich ein massiver Betonbrückenpfeiler in eine bewaldete Hügellandschaft einfügt. Die Fotografie verdeutlicht die enge formale Verschränkung gebauter Strukturen und angelegter Landschaftsräume mit Aufforstungen und kleinen Landstraßen.
Die gleichmäßige, durch Forstwirtschaft geprägte Bewaldung ist auch ein wichtiges Thema im
Werk von Bernhard Fuchs. Distanziert, still und menschenleer tritt die analoge Fotografie Dobring, Winter 2010 dem Betrachter entgegen, auf der ein dunkler Waldstreifen in Kontrast zu einer hellen Schneefläche tritt.
Über ein Jahr hinweg hat Marcelo Fiuza die bei München gelegene Fröttmaninger Heide, ein ehemaliges militärisches Übungsgebiet, besucht und dort subtile landschaftliche Veränderungen eingefangen. Heute werden die im Zweiten Weltkrieg genutzten Betontrassen und Schießstand-Fundamente von Pflanzen und Bäumen überwuchert.
In seiner Werkserie The Pond at Upton Pyne (1996 - 2002) beschäftigt sich der britische Landschaftsfotograf Jem Southam mit der physischen Beziehung des Menschen zur Landschaft, die zum Vehikel für Kontemplation und Selbstverwirklichung werden kann. Von einer landschaftlichen Idylle bis hin zu einem Ort von scheinbar gezähmter Natur, zeigen die sechs Bilder aus dem Schlüsselwerk des Künstlers die poetische Kraft die selbst unauffällig wirkenden Gegenden innewohnen kann.
Sanna Kannisto unternimmt Expeditionen mit Biologen und platziert ein tragbares Labor im peruanischen Regenwald, in das sie seltene Vögel und Pflanzen setzt. Ihre 2003 entstandene Fotografie Aristolochia gorgona wirkt wie ein Destillat der natürlichen Waldlandschaft: Sie zeigt eine seltene Blütenart in einem engen, sterilen Raum, die wie ein Fotomodell ausgeleuchtet ist. Das Arrangement bildet einen Kontrast zu den ungeordneten Strukturen des Regenwaldes. Trotz einer formalen Anlehnung an wissenschaftliche Darstellungen von Flora und Fauna, sind Kannistos Bilder geprägt von einer visuellen Magie, die die Faszination im Blick der Künstlerin spürbar macht.
Die Veränderungen der Erdoberfläche durch Menschenhand werden vor allem in Gebieten des Massentourismus sichtbar.
Lois Hechenblaikner hält in seiner Fotografie Alpen-Baustelle (2015) fest, wie Skilifte, umgepflügte Wiesen und Lawinengitter sich, einem Flickenteppich gleich, zu einer neuen landschaftlichen Einheit zusammenfügen. Ohne zu werten oder anzuklagen, doch umso furchtloser und unverhohlen, demaskiert Hechenblaikner in seinen Aufnahmen die viel bereisten Alpen.
Archaische Urlandschaften, die sich seit Jahrtausenden nicht verändert zu haben scheinen, finden sich im Werk von Milo Newman. Die Schwarz-Weiß-Fotografien, die auf kleinen Inselgruppen vor der Küste Schottlands aufgenommen wurden, lassen einen Blick auf das romantische Ideal der unberührten Erhabenheit schroffer Küstenlinien und wütender Meeresflächen werfen. Sie sprechen von der Sehnsucht nach einer beständigen Verortung in unsicheren Zeiten.
John Volynchook reist mit dem Fahrrad durch England und dokumentiert in Schwarz-Weiß-Fotografien wie Salt Marsh, Licence PEDL165 (2016) von Fracking bedrohte Landstriche im Norden Englands. Die chemische Gewinnung von Erdgas durch hydraulisches Zerbrechen über 300 Millionen Jahre alter unterirdischer Gesteinsschichten steht für den unstillbaren Energiehunger des Menschen und die Konsequenzen, die er dabei in Kauf zu nehmen bereit ist. Dieser extremen Form der landschaftlichen Industrialisierung stellt Volynchook friedliche Aufnahmen noch fruchtbarer Schieferlandschaften entgegen.
Die Ausstellung wird kuratiert von Hanna Dölle, Katherina Perlongo und Annika Turkowski/CUCO – curatorial concepts berlin e.V.
www.cucoberlin.com
Die Ausstellung findet statt im Rahmen des EMOP Berlin – European Month of Photography, www.emop-berlin.eu, mit freundlicher Unterstützung von: Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, British Council, Humboldt-Universitäts-Gesellschaft, Archive Books.
Rahmenprogramm:
Eröffnung mit Künstlergespräch: Samstag, 1. Oktober 2016, 18 Uhr | Veranstaltungsort: Tieranatomisches Theater | Eintritt frei
Politische Landschaften der Fotografie – Olaf Otto Becker im Gespräch mit Michael Diers, 19 Uhr
Ausgehend von den Werken der Ausstellung Longing for Landscape diskutiert der Kunsthistoriker Michael Diers mit Olaf Otto Becker, inwiefern Landschaftsfotografie zum politischen Ausdrucksträger werden kann. Der 1959 in Travemünde geborene Fotograf ist für seine großformatigen Landschaftsaufnahmen bekannt, in denen er die Gefährdung globaler Lebensräume thematisiert.
Kuratorenführung und Künstlergespräch: 26. Oktober 2016, 18 Uhr (Führung in deutscher Sprache) | Veranstaltungsort: Tieranatomisches Theater | Eintritt frei
Relating to Landscape - Hans-Christian Schink in conversation with Dr. Olga Smith, 7 p.m.
The question of relating to landscape, through ethical, emotional and intellectual engagement on behalf of the artist, will be the focus of the talk. This question will be explored with reference to the photographic series Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (1995-2003) by Hans-Christian Schink presented in the exhibition. Olga Smith writes and lectures on contemporary art and photography and is currently based at the Humboldt-University Berlin where she holds a postdoctoral fellowship.