Im Zentrum des Projekts steht die Frage, wie Wissen über hybride, komplexe kulturelle Artefakte generiert, organisiert und erhalten wird. Ziel ist die Erkundung der komplexen Beziehung zwischen physischen Informationsträgern und ihren digitalen Repräsentationen und zugleich die Art und Weise, wie digitale Informationsobjekte genuin begriffen werden.
Im Projekt geht es um die Frage, wie Wissen generiert, organisiert und erhalten wird, und zwar spezifisch Wissen über hybride, komplexe kulturelle Artefakte. In informationswissenschaftlicher Sicht wird dabei von einem wohl etablierten Kontinuum ausgegangen, das von rohen, quasi atomaren und für sich genommen bedeutungslosen Daten über Information (als Daten mit identifizierbaren Mustern) und Wissen (als Information in einem sozialen oder semantischen Kontext) bis hin zum kreativen Denken (oder zu Kunst) und nicht deterministischer Interpretation in der Generierung neuen Wissens und neuer Information reicht.
In dieser Perspektive ist der kritische und primär interessierende Übergang derjenige von Information zu Wissen, ein Prozess der Kontextualisierung, der sowohl in synchroner als auch in diachroner Sicht betrachtet werden wird. Die synchrone Sicht hat dabei ihren praktischen Ursprung in Projektzusammenhängen wie dem Europeana-Cluster und stellt die Frage, wie Informationsobjekte solcherart kontextualisiert werden können, um das Schaffen und Gestalten von Wissen und kreativem Denken und Interpretieren zu ermöglichen. Einschlägige Antworten sind einerseits im Umfeld der sozialen und interaktiven netzbasierten Informationstechnologien zu suchen (Web 2.0) und andererseits im Umfeld des »Linked Open Data« der semantischen Kontextualisierung des »Semantic Web«. Die diachrone Sicht kommt aus der Praxis der Langzeitarchivierung digitaler Inhalte mit Projektzusammenhängen wie KOPAL und LUKII.
Digitaler Inhalt bezieht sich heute nicht aus einem einfachen Bitstream, sondern aus einem technischen Kontext, in dem es komplexe Interaktionen zwischen (ggf. mehreren) Datenströmen und Anwendungen gibt. Die maßgebliche Frage lautet hier, wie viel Kontext von Informationsobjekten zusammen mit dem Bitstream dieser Objekte erhalten werden muss, um über deren Potential für die Wissensgenerierung verfügen zu können.
Ziel des Projektes ist die Erkundung der komplexen Beziehung zwischen physischen Informationsträgern und ihren digitalen Repräsentationen und zugleich die Art und Weise, wie digitale Informationsobjekte genuin begriffen werden. In beiden Fällen gehen die Wahrnehmung und Erhaltung von Kontextmustern deutlich über das reine Prozessieren und Erhalten von Datenströmen hinaus.
Der Kontext von Informationsobjekten hat eine technische und eine kulturelle Dimension. Um die kulturelle Dimension zu verstehen, ist eine ethnographische Beschreibung nützlich, die unter anderem die Erzeuger von Daten und Informationen explizit macht und darlegt, wie sie diese verwenden und in welchem Kontext sie diese interpretieren. Solche Kontextverbindungen ermöglichen die Konstruktion intellektueller Relationssysteme in Form von »Linked Data«, die von anderen Forscher_innen in anderen Zusammenhängen nachgenutzt werden können. Dies ist von größter Bedeutung für die Langzeitarchivierung ebenso wie für die Schaffung eines intersubjektiven Minimalkonsenses bezüglich der Bedeutung von Informationsobjekten und deren wissenskonstitutivem Kontext. Bilder sind Schlüsselelemente von Datenbeständen in vielen Disziplinen. Dies gilt ebenso sehr für Naturwissenschaften wie Biologie und Chemie wie für die Kunstgeschichte. Die Interpretationsmuster variieren erheblich, die Kontextbeziehungen sind in jedem Gebiet auf unterschiedliche Art und Weise relevant und erfordern eine explizite und disziplinbezogene Analyse, um sie eingebettet in heutige und zukünftige heuristische Instrumente nutzen zu können.
Der gedankliche Ansatz wie auch der Korpusbezug des Projektes geht dabei substantiell über dessen Wurzeln in den oben genannten Projektzusammenhängen hinaus. Gerade die Langzeitarchivierung digitaler Objekte wird meist als Speicherung von rein digitalen Artefakten gesehen. Es gibt aber aus der Geschichte der digitalen Medien eine Fülle von »hybriden Objekten« wie z.B. Audio-CDs, Computerspielen oder »ShrinkWrap«-Software, die sowohl einen digitalen wie einen materiellen Anteil besitzen und dementsprechend unterschiedliche Erhaltungsstrategien verlangen. Mit dem zunehmenden Einsatz von RFID-Tags entsteht bei ursprünglich rein materiellen Sammlungen eine zweite digitale, virtuelle Schicht, die zu erhalten ist, z.B. bei Sammlungen oder Bibliotheken, die mit RFID-Tags versehen worden sind. Mit solchen »hybriden Objekten« sind neue Herausforderungen des Information Managements an Informatik, Bibliothekswissenschaften und andere Beteiligte erkennbar. Diese soll nicht nur theoretisch, sondern auch an konkreten Beispielen analysiert werden.
Ergebnis der Projektarbeiten ist der Prototyp eines lauffähigen und dauerhaft verfügbaren Systems für die Modellierung und Repräsentation interdisziplinärer Corpora. Die Schlüsselbegriffe sind dabei ‚Modell’ und ‚Kontext’ als wesentliche Konstituenten von Wissen; neben Modellierungsansätzen aus der Informationswissenschaft und der Informatik sollen dabei Arbeiten wie die von M. Ashby im Gebiet »Materials Selection« eine Rolle spielen, die eine Kategorisierung von physischen Materialien als Bestandteil von Wissensordnungen erlauben. Konkrete Umsetzungen findet das Projekt in Zusammenarbeit mit dem Projekt »Sammlungserschließung« sowie in einem Datenrepositorium zu Struktur-Funktions-Beziehungen in Zusammenarbeit mit den Projekten »Modelle in Gestaltungs- und wissenschaftlichen Erkenntnisprozessen«, »Historische Strukturuntersuchungen im Labor« und »Selbstbewegende Materialien«.