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Sommersemester 2012

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Prof. Dr. Peter Strohschneider
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)

Irritationen. Über Selbstbezug und Fremdbezug von Wissenschaft

31. Mai 2012, 18.30 Uhr, im Kinosaal Unter den Linden 6, 10099 Berlin

Peter Strohschneider ist Professor für Germanistische Mediävistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sein wissenschaftliches Interesse gilt insbesondere der mediävistischen Literaturwissenschaft, die er unter medien- und kulturanthropologischen Problemstellungen untersucht. Zu seinen weiteren Arbeitsgebieten zählen Bildungs- und Wissenschaftspolitik, Wissenschaftspolitikberatung sowie Wissenschafts- und Hochschulforschung.
In seinem Vortrag widmet sich Peter Strohschneider der Ausdifferenzierung der wissenschaftlichen Fachgebiete sowie dem Zusammenhang zwischen Wissenschaft und der gesellschaftlichen Erwartungshaltung.
„Vor dem Hintergrund gängiger Vorstellungen von der Einheit der Wissenschaft beschreibt die Vorlesung zunächst Prozesse der Spezialisierung und Ausdifferenzierung in den Wissenschaften. Die dabei entstehenden Disziplinen werden als selbstbezügliche soziale Ordnungsformen verstanden, deren Leistungen nicht nur im institutionellen Aufbau, sondern vor allem auch in den disziplinär entwickelten Erkenntnisformen gesehen werden, ein Befund, der auch die Schwierigkeiten einer reduktionistischen Wissenschaftsauffassung beleuchtet. Die disziplinäre Verfasstheit der Wissenschaften bietet allerdings auch eine neue Begründung für die Freiheit der Forschung, und sie führt damit, mindestens vordergründig, zu einer fortwährenden Erweiterung des Wissens um immer komplexere Einsichten. Damit stellt sich die Frage nach den gesellschaftlichen Funktionen der Wissenschaft und den Aushandlungsprozessen um ein ausgewogenes Verhältnis von Selbstbezug und Fremdbezug. Die Vorlesung geht dieser Frage nach, indem sie den Begriff Relevanz als ein riskantes, aber unvermeidliches Leitkriterium dieser Prozesse rekonstruiert.“
Prof. Dr. Peter Strohschneider, 1955 in Stuttgart geboren, studierte Germanistik und Geschichte sowie Rechtswissenschaft, Soziologie und Politikwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er 1984 promovierte. 1991 habilitierte er sich an der LMU für das Fach Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters. Von 1992 bis 2002 war er Lehrstuhlinhaber für Germanistische Mediävistik und Frühneuzeitforschung an der Technischen Universität Dresden. Nach einer einjährigen Gastprofessur an der Forschungs- und Bildungsinstitution École Pratique des Hautes Études in Paris 2001 kehrte Peter Strohschneider an die LMU München zurück, wo er seit 2002 die Professur für Germanistische Mediävistik und Kulturwissenschaft innehat. Darüber hinaus war er von 2005 bis 2011 Mitglied und seit 2006 Vorsitzender des Wissenschaftsrats, der Bund und Länder in Fragen der Hochschul- und Forschungspolitik berät. Des Weiteren ist Peter Strohschneider ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und seit 2011 Senior Fellow am Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. 2010 wurde ihm das Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Mehr zum Thema:
Strohschneider, Peter: Bildung? Bildung! – Eine Einführung. In: Andreas Schlüter & Peter Strohschneider (Hrsg.): Bildung? Bildung! 26 Thesen zur Bildung als Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Berlin. 2009. S. 15-21.
Strohschneider, Peter: Einheit der Wissenschaften. In: Sellin, Volker (Hrsg.): Das Europa der Akademien. Heidelberg. 2010. S. 147-170.

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Prof. Dr. Martin Mulsow
Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt

Ideengeschichte als Verflechtungsgeschichte. Impulse für eine Global Intellectual History

28. Juni 2012, um 18.30 Uhr im Kinosaal, Unter den Linden 6, 10099 Berlin
Prof. Dr. Martin Mulsow zählt zu den international führenden Forschern auf dem Gebiet der Geistes- und Philosophiegeschichte der Frühen Neuzeit. Er ist Direktor des Forschungszentrums Gotha für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien an der Universität Erfurt sowie Inhaber des Lehrstuhls für Wissenskulturen der europäischen Neuzeit. Er widmet sich interdisziplinärer Frühneuzeitforschung, die zwischen Philosophiegeschichte, Ideengeschichte, historischer Anthropologie und Kulturgeschichte angesiedelt ist.
„Wie kann Ideengeschichte im 21. Jahrhundert aussehen? Was sind die Aufgaben, die auf diese Disziplin warten? Es besteht kein Zweifel, dass in Zeiten der Globalisierung eine Europazentriertheit der Ideengeschichte nicht länger vertretbar ist. Darin liegt zugleich eine große Chance. Aber wie können weitreichende transkulturelle Bezüge von geistigen Transferprozessen rekonstruiert werden, ohne die Kompetenzen des Forschers zu überdehnen? Bisher verfolgen erste Ansätze einer „global intellectual history“ zumeist politische und wissenschaftliche Begriffe des 19. und 20. Jahrhunderts auf ihren komplexen Wegen um den Globus. Der Vortrag wird hingegen das Feld für die Vormoderne sondieren. Wie ist dort eine kontrollierte, „agglutinierende“ Ausweitung über Europa hinaus denkbar? Ich werde anhand von Beispielen räumliche und tiefenzeitliche Transfers unterscheiden, werde typische Fragestellungen transkultureller Ideengeschichte herausarbeiten, werde Probleme benennen und nicht zuletzt forschungspraktische Anregungen dafür geben, wie Transkulturalität ohne Niveauverlust erforscht werden kann. Beispiele berühren die Präadamitenthese zwischen dem sassanidischen Persien des 7. Jahrhunderts und dem Frankreich des 17. Jahrhunderts, die Rezeptionswege des Hermetismus zwischen Ägypten, Byzanz, Italien und Deutschland sowie alchemische Vorstellungen zwischen Indonesien und Europa. In der Geschichtswissenschaft gibt die Verflechtungsgeschichte (entangled history) Leitlinien vor, wie kulturelle Interferenzen beschrieben werden können. Doch welche Rolle spielen Ideen in solchen Verflechtungen?“

Martin Mulsow, geb. 1959, studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte in Tübingen, Berlin und München. 1991 erwarb er seine Doktorwürde an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), wo er sich im Jahr 2000 im Fach Philosophie habilitierte. 2001-2005 leitete er an der LMU München ein Teilprojekt über gelehrte Libertinage im 17. Jh. 2005 hatte er eine Professur für Geschichte an der Rutgers University in New Brunswick NJ, USA, inne. Darüber hinaus ist Martin Mulsow seit 2005 Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Ideengeschichte und seit 2010 Mitherausgeber der Zeitschrift Aufklärung. Interdisziplinäres Jahrbuch zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte. Für seine Arbeiten wurde er mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Karl Jaspers Förderpreis der Universität Oldenburg für den besten jungen Philosophen (2004), zweimalig mit dem Selma V. Forkosch Prize für den besten Artikel im Journal of the History of Ideas (2005 und 2007) sowie dem Wissenschaftspreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (2011).

Mehr zum Thema:

Mulsow, Martin (Hrsg.): Die Cambridge School der politischen Ideengeschichte. Berlin: Suhrkamp. 2010.

Mulsow, Martin: Moderne aus dem Untergrund. Radikale Frühaufklärung in Deutschland 1680 – 1720. Hamburg: Meiner. 2002.

Mulsow, Martin & Mahler, Andreas (Hrsg.): Texte zur Theorie der Ideengeschichte. Stuttgart: Reclam. 2012.