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Wintersemester 2001/02

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Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard
MPI für Entwicklungsbiologie, Tübingen
Das Wissen der Genetik
13. Dezember 2001, 18.30 Uhr, Kinosaal der Humboldt-Universität, Unter den Linden 6

Christiane Nüsslein-Volhard ist seit 1985 Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und Direktorin des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen. Frau Nüsslein-Volhard begann ihr Studium mit den Fächern Biologie, Physik und Chemie. Als 1964 in Tübingen erstmals ein Lehrplan für Biochemie herausgegeben wurde, entschied sie sich für diesen Schwerpunkt und verließ ihren bisherigen Studien- und Heimatort Frankfurt. Nach dem Diplom in Biochemie folgte, ebenfalls in Tübingen, die Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Virusforschung. Dann begannen die entwicklungsbiologischen Studien an der Fruchtfliege, die zu weitreichenden Ergebnissen führten. Insbesondere konnte Frau Nüsslein-Volhard nachweisen, daß die embryonale Gestaltbildung durch das Diffusionsverhalten spezifischer Substanzen in der Eizelle gesteuert wird, die die weitere genetische Aktivität bestimmen. Es liegt also kein sogenannter "Bauplan" zugrunde, sondern eher eine "Bauanleitung" dafür, welche Gene in bestimmten Entwicklungsphasen und an bestimmten Orten innerhalb des wachsenden Wesens eingeschaltet werden, um an der richtigen Stelle die Organe zu bilden. Frau Nüsslein-Volhard konnte nachweisen, daß es eine Art Übersetzung verschiedener Quantitäten von Stoffen in unterschiedliche Qualitäten von Zellen gibt. Und hierin liegt auch der Schlüssel für die vielbesprochene Diagnostik: So ist zum Beispiel frühzeitig feststellbar, ob Individuen aus genetisch belasteten Familien Träger des Gendefekts sind. Es zeigt sich, wie wichtig die Forschung an der Drosophila, Frau Nüsslein-Volhards bevorzugtem Forschungsobjekt neben den Zebra-Fischen, auch für den Menschen ist.

"Zuweilen drängt sich der Verdacht auf, dass ein Teil der heutigen Aufregung diesen vielleicht noch nicht vollständig akzeptierten biologischen Erkenntnissen der Verwandtschaft der Menschen mit den Tieren gilt", sagt Christiane Nüsslein-Volhard, und macht damit klar, welche Erschütterungen des menschlichen Selbstverständnisses immer noch von der Biologie ausgehen.

1995 wurde sie zusammen Eric F. Wieschaus (USA) und Edward B. Lewis (USA) für die Entdeckung genetischer Steuerungsmechanismen der Embryonalentwicklung mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin ausgezeichnet.

Ausgewählte Veröffentlichung:

  • Nüsslein-Volhard, Christiane: Of fish, fly and man: lessons from developmental biology for human gene function and disease, Springer
    2000.

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Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Selten
Universität Bonn
Ökonomisches Verhalten im Experiment
14. Februar 2002, 18.30 Uhr, Kinosaal der Humboldt-Universität, Unter den Linden 6

Reinhard Selten leitet als Direktor das Laboratorium für experimentelle Wirtschaftsforschung des Wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereiches an der Universität Bonn.

Vor ca. 30 Jahren etablierte Reinhard Selten die experimentelle Wirtschaftsforschung in Deutschland. In diesem Forschungszweig werden Experimente gemacht mit Versuchspersonen, die unter genau kontrollierten Bedingungen Entscheidungen in wirtschaftlich relevanten Situationen treffen müssen. Ziel dieser Experimente ist es, durch Auswertung der beobachteten Daten zu deskriptiven Theorien zu gelangen, die das menschliche Verhalten besser erklären und vorhersagen können, als die derzeit noch vorherrschende normative Theorie es kann. Immer mehr Wissenschaften schenken dem wichtigsten theoretischen Werkzeug, der Spieltheorie, seither Aufmerksamkeit, von der Soziologie bis hin zur Biologie.

Seit der bahnbrechenden Monographie von v. Neumann und Morgenstern 1944 wird die Spieltheorie als ein entscheidendes Hilfsmittel für das Verständnis volkswirtschaftlicher Fragestellungen angesehen. Charakteristisch für Spiele wie z.B. Poker oder Schach ist, dass der Spieler zur Erreichung seiner Ziele (nämlich das Spiel zu gewinnen) eine Strategie entwickeln muß, die die möglichen Schritte des Gegenspielers einbezieht; dabei verfügt er über die volle Information (wie im Schach) oder nur über unvollständige Information (wie beim Pokern). Hierin liegt auch die Parallele zwischen Spieltheorie und Wirtschaft; das "Spiel" vollzieht sich im Prozess der sogenannten strategischen Interaktion. Nash unterschied zwischen kooperativen und nicht-kooperativen Spielen; letztere schließen bindende Absprachen aus. Im Mittelpunkt dieser Theorie steht der Begriff des Gleichgewichts, der benutzt wird, um Voraussagen über das Ergebnis strategischer Interaktion zu treffen: grob gesagt, streben alle Spiele in einen Gleichgewichtszustand, aber davon gibt es sehr viele. Reinhard Selten ging es vor allem darum, mittels schärferer Bedingungen nicht nur die Anzahl möglicher Gleichgewichte zu reduzieren, sondern auch ökonomisch sinnlose Gleichgewichte zu vermeiden - so entstand das Konzept der "Teilspielperfektheit" (subgame perfection). Grundlegende Auswirkungen hat Seltens Konzept für die Diskussion der Glaubwürdigkeit der Wirtschaftspolitik, für die Analyse des oligopolistischen Wettbewerbs, in der Informationsökonomik und in vielen anderen Zusammenhängen. Es ergeben sich jedoch immer wieder Situationen, in denen nicht einmal die Forderung nach "Teilspielperfektheit" hinreichend ist. Reinhard Selten verfeinerte sein Konzept daher noch weiter zum Gleichgewicht der "zitternden Hand" (trembling hand). Dadurch werden wesentlich präzisere und praktisch sinnvollere Vorhersagen für Spiele bzw. Märkte möglich; erst durch Seltens Arbeiten wurde die Spieltheorie für die Wirtschaftswissenschaft wirklich nutzbar.

1994 erhielt Reinhard Selten zusammen mit Prof. John C. Harsanyi von der University of California, Berkeley (USA), und John F. Nash von der Princeton University (USA) den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für die grundlegende Analyse des Gleichgewichts nicht-kooperativer Spieltheorie.

Ausgewählte Veröffentlichung:

  • Selten, Reinhard: Spieltheoretische Behandlung eines Oligopolmodells mit Nachfrageträgheit, in: Zeitschrift für die Gesamte Staatswissenschaft, 121, 1965; Game equilibrium models, Berlin 1991; An experimental solidarity game, Magdeburg 1996.

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