Prof. Dr. Michael Tomasello
What Makes Humans Unique?
7. Februar 2008, 18.30 Uhr, Kinosaal, Unter den Linden 6
Kleine Kinder lieben es, durch Zeige-Gebärden andere auf etwas aufmerksam zu machen, was sie entdeckt haben - Menschenaffen hingegen zeigen nicht. In diesem kleinen Unterschied liegt für Michael Tomasello vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie(EVA) in Leipzig der Schlüssel für unser Verständnis dessen, was den Menschen so einzigartig macht. Zwar kommunizieren auch unsere engsten biologischen Verwandten, allerdings nur, um direkt eigene Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen. Kleine Menschenkinder hingegen, betont der Anthropologe und Verhaltensforscher, zeigen bereits vor Beginn des Spracherwerbs Interesse an Kooperation, gemeinsamem Handeln und generell an kulturellen Aktivitäten. Im Mittelpunkt des Vortrags stehen damit der Mensch und die Evolution seiner Sprach- und Kulturfähigkeiten. Der Vortrag findet in englischer Sprache statt; durch beeindruckende Präsentationen aus seinen Studien mit Affen- und Menschenkindern wird Michael Tomasello auch ein im Englischen ungeübtes Publikum begeistern.
Michael Tomasello studierte Psychologie in den USA und ist seit 1997 Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie sowie Leiter des Wolfgang-Köhler-Primatenforschungszentrums im Leipziger Zoo. Seit 1999 ist er Honorarprofessor an der Universität Leipzig. Für seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Kognitionswissenschaften wurden ihm 2004 der Forschungspreis der Fyssen-Stiftung (Paris) und 2006 der Jean-Nicod-Preis verliehen. Sein Buch „Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens“ wurde in Presse und Wissenschaft kontrovers rezensiert und machte Tomasello einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.
"Human beings are biologically adapted for cultural life in ways that other primates are not. Humans have unique motivations and cognitive skills for understanding other persons as intentional agents like the self with whom one can share emotions, experience, and collaborative actions (shared intentionality). The motivations and skills involved emerge in human ontogeny at around one year of age, as infants begin to participate with other persons in various kinds of collaborative and joint attentional activities (cultural practices), including linguistic communication. Chimpanzees understand important aspects of intentional action - specifically that others pursue goals and perceive things relevant to those goals - especially in competitive situations. But our nearest primate relatives do not seem to have the motivations and cognitive skills necessary to engage in activities involving collaboration, shared intentionality, and, in general, things cultural."
- Michael Tomasello (Ed.), The New Psychology of Language. Cognitive and Functional Approaches to Language Structure, Erlbaum 1998-2002
- Michael Tomasello, Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens, Frankfurt/M. 2002
- Michael Tomasello, Constructing a Language. A Usage-Based Theory of Language Acquisition, Harvard 2003
- Michael Tomasello et al., Chimpanzees Are Rational Maximizers in an Ultimatum Game, Science 5 October 2007: Vol. 318. no. 5847, pp. 107 - 109
Prof. Dr. Oliver Primavesi
Ludwig-Maximilians-Universität, München
Kosmos und Daimon. Neue Funde zur frühgriechischen Naturphilosophie
17. Januar 2008, 18.30 Uhr, Kinosaal, Unter den Linden 6
1990 tauchen in den Archiven der Straßburger Universitätsbibliothek antike Papyrusfragmente auf. Sie entpuppen sich als Sensation: Die griechischen Textfragmente stammen aus dem Werk des Dichters und Naturphilosophen Empedokles und sind die ersten, in der Neuzeit aufgefundenen Blätter eines Buches der vorplatonischen Philosophie. Bis heute stellt das Werk des Empedokles die Wissenschaft vor faszinierende Rätsel, scheint es doch zugleich altes mythisches Weltbild und rational orientierte Naturphilosophie zu lehren.
Der Straßburger Papyrus und eine Serie weiterer Textneufunde seit 1998 ermöglichen es, so der Gräzist und Leibniz-Preisträger Oliver Primavesi, die komplexe Denkweise des Empedokles besser verständlich zu machen. Sie stellen unser Bild des vorplatonischen Dichters und Naturphilosophen auf eine völlig neue Grundlage.
Oliver Primavesi lehrt seit 2000 an der Ludwig-Maximilians-Universität München als Professor für Griechische Philologie. Zuvor hat er nach einem Studium der Klassischen Philologie in Heidelberg und Oxford an der Frankfurter Goethe-Universität promoviert und sich 1997 habilitiert. Sein besonderes, interdisziplinär ausgerichtetes Interesse gilt den philosophischen Texten und der epischen Dichtung der Griechen der archaischen und klassischen Zeit.
In seinem Vortrag wird Primavesi die Neufunde vorstellen und die aus ihnen gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassen.
- Alain Martin, Oliver Primavesi, L’Empedocle de Strasbourg, Berlin/New York, 1999
- Oliver Primavesi, Die Häuser von Zeus und Hades: Zu Text und Deutung von Empedokles B 142 D.-K., Cronache Ercolanesi 33 (2003), 53-68
- Oliver Primavesi, Klaus Alpers, Empedokles im Wiener Herodian-Palimpsest, Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik, 156 (2006), 27-37
- Oliver Primavesi, Empedokles in Florentiner Aristoteles-Scholien, Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik, 157 (2006), 27-40
Dr. Peter Jenni
CERN (Europäische Organisation für Kernforschung), Genf
Der Large Hadron Collider (LHC): Eine Entdeckungsreise zum Urknall im Labor
6. Dezember 2007, 18.30 Uhr, Kinosaal, Unter den Linden 6
Im Mai 2008 wird mit dem Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Zentrum für Teilchenphysik CERN in Genf der mächtigste Teilchenbeschleuniger der Welt in Betrieb genommen. Was bisher technisch unmöglich schien, soll im LHC umgesetzt werden: In der 27 km langen ringförmigen Riesenmaschine prallen Protonen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aufeinander. Dafür wird ein Magnetfeld erzeugt, das 180.000 mal so stark ist wie das der Erde. Dieses kann nur bei einer Temperatur nahe dem absoluten Kältepunkt bestehen – minus 271,3 Grad Celsius. Beeindruckender noch als die zahlreichen technischen Rekorde sind die Erwartungen: Der LHC könnte unser Bild vom Universum revolutionieren.
Peter Jenni, Doktor der Physik und langjähriger Mitarbeiter am CERN, ist seit 1995 Sprecher des ATLAS-Experiments. In diesem Teilprojekt des LHC entwickeln rund 2.100 Wissenschaftler den 46 Meter langen und 7.000 Tonnen schweren ATLAS-Detektor. ATLAS – so die Hoffnung seiner Konstrukteure – soll entscheidende Daten zur Enthüllung der letzten Geheimnisse der Teilchenphysik aufzeichnen.
In seinem Vortrag beschreibt Jenni den LHC, die geplanten Experimente und die sensationellen Entdeckungen, die sich die Physiker davon versprechen:
"Der Large Hadron Collider LHC am Europäischen Zentrum für Teilchenphysik CERN in Genf, der Teilchenkollisionen bei höchsten Energien liefern wird, steht nach mehr als zehn Jahren Planungs- und Bauzeit kurz vor der Inbetriebnahme. Die gigantische Beschleunigeranlage, unterirdisch in einem Ringtunnel von 27 km Umfang untergebracht, und ihre nicht weniger eindrücklichen Detektoren, so gross wie mehrstöckige Häuser und vollgepackt mit Elektronik, werden es ermöglichen, fundamentale Physikphänomene zu studieren, wie sie ganz kurz nach dem Urknall vorgekommen sind. Die entsprechenden Experimente werden seit 15 Jahren in weltweiten Kollaborationen vorbereitet. Die beiden Schlüsselexperimente ATLAS und CMS sollen viele der wichtigsten offenen Fragen der Physik beantworten: Warum haben Teilchen eine Masse, was ist die unsichtbare ‘Dunkle Materie’ im Universum, gibt es zusätzliche Raumdimensionen, lassen sich die heute bekannten kleinsten Bausteine (Quarks und Leptonen) der Materie noch weiter teilen? Die Hoffnungen auf neue Entdeckungen sind gross, seit Jahrzehnten wurde kein so kühner Schritt ins Neuland der Physik gewagt."
- Peter Jenni, Günter Flügge, Der Large Hadron Collider, Physik Journal 5 (2006) Nr. 2, 29-34
- Peter Jenni, 2007. The ATLAS experiment getting ready for LHC, Acta Phys. Polon. B38, 285-298