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Wintersemester 2008/09

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Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Hölldobler
Julius-Maximilians-Universität Würzburg / Arizona State University
Ordnung im Chaos. Kommunikation und Kooperation in Ameisenstaaten
18. Dezember 2008, 18.30 Uhr, Kinosaal, Unter den Linden 6

Bert Hölldobler begeistert sich seit über 40 Jahren für Ameisen - zum einen, weil sie zu den wichtigsten Lebewesen in unserem Ökosystem gehören; zum anderen, weil ihr soziales Verhalten sowie ihre erstaunliche Organisation und Kommunikation in so genannten Superorganismen aufschlussreiche Modellsysteme für das menschliche Verhalten darstellen.
„Ameisen gehören zu den ökologisch wichtigsten und häufigsten tierischen Organismen. Obgleich ihre Artenzahl nur 2% aller Insektenarten ausmacht, stellen sie nahezu 80% der gesamten Insektenbiomasse und in vielen Lebensräumen 30% der gesamten tierischen Biomasse. Sicherlich beruht diese evolutions-ökologische Dominanz auf ihrer hoch entwickelten sozialen Organisation. Alle Ameisenarten bilden hochdifferenzierte Staaten, deren Organisationen allerdings eine große Vielfalt aufweisen. Die evolutionär höchst entwickelten Ameisensozietäten zeichnen sich durch fein abgestimmte Arbeitsteilungssysteme aus, und die Integration von hunderttausenden oder Millionen von Ameisenarbeiterinnen beruht auf einem vielgestaltigen Kommunikationssystem. Diese hoch entwickelten Ameisensozietäten sind Superorganismen, die aus vielen Einzelorganismen bestehen. Sie konkurrieren miteinander um begrenzte Ressourcen; auch dabei spielt Kommunikation eine wichtige Rolle.“

Hölldobler ist einer der führenden Vertreter der Evolutions- und Soziobiologie. Schon seine Dissertation an der Universität Würzburg über die soziale Rolle der Männchen bei den Holzameisen erregte in der Fachwelt Aufsehen. Er lehrte und forschte an den amerikanischen Universitäten Cornell und Harvard sowie an der Universität Zürich. 1989 kehrte er an die Universität Würzburg zurück. Bis 2004 hatte er dort den Lehrstuhl für Verhaltensphysiologie und Soziobiologie inne. Seit 2004 ist Hölldobler an der Arizona State University, USA. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft und der amerikanische Wissenschaftspreis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Gemeinsam mit Edward O. Wilson erhielt er 1991 den Pulitzer-Preis für The Ants. Gerade erschien ihr neustes Werk, The Superorganism.

Mehr zum Thema:

  • Bert Hölldobler; Edward O. Wilson: The Ants. Berlin: Springer 1990.
  • Bert Hölldobler; Edward O. Wilson: Ameisen. Die Entdeckung einer faszinierenden Welt. (Originaltitel: Journey to the ants.) Basel: Birkhäuser Verlag 1995; Taschenbuchausgabe München: Piper 2001.
  • Bert Hölldobler; Edward O. Wilson: The Superorganism: The Beauty, Elegance, and Strangeness of Insect Societies. New York/London: W.W. Norton 2008.

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Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gerhard Ertl
Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft Berlin, Nobelpreis 2007 für Chemie:
Vortrag im Rahmen der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin
Vom Atomaren zum Komplexen. Reaktionen an Oberflächen
16. Januar 2009, 16.30 Uhr, Großer Hörsaal im Erwin-Schrödinger Zentrum Rudower Chaussee 26, Berlin-Adlershof

Wie Katalysatoren funktionieren, wussten Wissenschaftler lange Zeit nur ungefähr. Ertl ist es gelungen, den Ablauf katalytischer Reaktionen im Detail zu beschreiben. Dazu setzt er für die Chemie unübliche Methoden ein und bedient sich neuester messtechnischer Verfahren, wie der Rastertunnelmikroskopie oder der Lasertechnologie. Mit seiner Forschung hat er unter anderem zum Verständnis der Funktionsweise von Autoabgaskatalysatoren und Brennstoffzellen grundlegend beigetragen. Auch die Reaktionskette, die die Ozonschicht zerstört, wurde durch seine Arbeiten besser verständlich, da wesentliche Schritte dieser Reaktionen auf den Oberflächen kleiner Eiskristalle stattfinden. Ertl gilt deshalb als Begründer der modernen Oberflächenchemie.

„Chemische Reaktionen an den Oberflächen von Festkörpern sind verantwortlich für die heterogene Katalyse, die die Grundlage der chemischen Industrie, aber auch von Prozessen für den Umweltschutz (Autoabgas-Katalyse) darstellt. Moderne physikalische Methoden erlauben die Aufklärung der zugrunde liegenden Mechanismen bis ins atomare Detail. Unter bestimmten Bedingungen treten dabei Effekte der raumzeitlichen Selbstorganisation mit zweidimensionaler Musterbildung auf, die im Rahmen der nichtlinearen Dynamik beschrieben werden können und in ähnlicher Weise auch in vielen anderen Bereichen beobachtet werden.“

Nach einem Physikstudium an der Universität Stuttgart promovierte Ertl 1962 an der Technischen Universität München 'Über die Kinetik der katalytischen Oxidation von Wasserstoff an Germanium-Einkristallen'. Die chemischen Prozesse an Oberflächen ließen ihn seitdem nicht mehr los. Mit seiner Habilitation, der 'Untersuchung von Oberflächenstrukturen und -reaktionen mittels Beugung langsamer Elektronen', begründete er die Oberflächenchemie in Deutschland. Er arbeitete als Professor und Institutsleiter in Hannover und München und übernahm Gastprofessuren in den USA. Bis zu seiner Emeritierung 2004 leitete er die Abteilung für physikalische Chemie des Fritz-Haber-Instituts in Berlin. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit wirkte Ertl als Berater in vielen Organisationen und Behörden, darunter im Bundesministerium für Wissenschaft und Technologie. Für seine Erforschung chemischer Reaktionen an Oberflächen hat er 2007 die wichtigste wissenschaftliche Auszeichnung, den Nobelpreis, erhalten. Daneben hat er zahlreiche weitere Auszeichnungen und Preise bekommen, darunter das Große Bundesverdienstkreuz, den Wolf-Preis für Chemie und den Karl-Ziegler-Preis der Deutschen Gesellschaft für Chemie.

Mehr zum Thema:

  • Gerhard Ertl: Reaktionen an Oberflächen: vom Atomaren zum Komplexen (Nobel-Vortrag), in: Angew. Chem. 120, 2008, S. 3578-3590.
  • Gerhard Ertl; Jürgen Küppers: Low Energy Electrons and Surface Chemistry Verlag Chemie, Weinheim 1985 (1. Auflage 1974).
  • Gerhard Ertl: Dynamics of Surface Reactions in: G. Ertl, H. Knözinger, F. Schüth, J. Weitkamp (Hg.), Handbook of Heterogeneous Catalysis, Wiley-VCH, Weinheim 2008, S. 1462-1479.

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Prof. Dr. Peter Eigen
Transparency International
Regierungsversagen in einer globalisierten Wirtschaft - Korruptionsbekämpfung durch zivilgesellschaftliche Organisationen
22. Januar 2009, 18.30 Uhr, Kinosaal, Unter den Linden 6

Probleme wie Umweltzerstörung, Korruption und Armut nehmen globale Dimensionen an. Ein Staat allein kann ihnen nicht mehr beikommen, befindet Peter Eigen. Darum hält er zivilgesellschaftliche Organisationen für notwendig.

„Der Vortrag vermittelt einen Eindruck von der Unzulänglichkeit der Regierungsführung in der globalisierten Wirtschaft. Die Unfähigkeit des Staates, der internationalen Organisationen oder des Privatsektors, eine gerechte, nachhaltige Entwicklung für die Mehrheit der Menschen zu gewährleisten, wird an Beispielen dargestellt (z.B. an der gegenwärtigen Finanzkrise). Die wachsende Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen (Civil Society Organisations - CSOs) wird beleuchtet, wobei die Rolle von Transparency International am Beispiel der weltweiten Korruption und ihrer Bekämpfung veranschaulicht wird. Das wachsende Bewusstsein der Allgegenwart der Korruption und ihre verheerende Wirkung insbesondere in den ärmsten Ländern der Welt soll dargestellt werden. Die rapide Veränderung des Rechtsempfindens zur ausländischen Korruption in den letzten Jahren - von ihrer Duldung und Rechtfertigung durch die politischen und wirtschaftlichen Eliten der meisten Industrieländer bis zu ihrer fast einhelligen Verurteilung und Bekämpfung durch eine weltweite Koalition wichtiger Institutionen wie Weltbank oder Vereinte Nationen - soll ebenso vermittelt werden wie die Schlüsselrolle der CSOs bei diesem Paradigmen­wechsel. Dabei wird die Notwendigkeit von Koalitionen zwischen Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft herausgestellt.“

Eigen arbeitete 25 Jahre lang als Weltbank-Manager in Afrika und Lateinamerika. Der promovierte Jurist beriet die Regierungen von Botswana und Namibia in Rechts- und Wirtschaftsangelegenheiten. Von 1988 bis 1991 war er Direktor für Ostafrika im Regionalbüro der Weltbank, 1993 gründete er Transparency International. Seit 2005 leitet Eigen die International Advisory Group of the Extractive Industries Transparency Initiative (EITI). Im Herbst 2007 gründete er das Berlin Civil Society Center, und seit 2007 ist er Mitglied in Kofi Annans Africa Progress Panel (APP). Eigen lehrte unter anderem an der John F. Kennedy School of Government an der Harvard University. Im Jahr 2000 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Open University, Großbritannien, seit 2002 ist er Honorarprofessor an der Freien Universität Berlin.

Mehr zum Thema:

  • Peter Eigen: Das Netz der Korruption. Wie eine weltweite Bewegung gegen Bestechung kämpft. Frankfurt am Main: Campus-Verlag 2003.

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Prof. Dr. Heino Falcke
Radboud Universiteit Nijmegen / Radioastronomisches Institut ASTRON, Dwingeloo
Mit Radioteleskopen an die Grenzen von Raum und Zeit
12. Februar 2009, 18.30 Uhr, Kinosaal, Unter den Linden 6

Schwarze Löcher und die Struktur des Urknalls haben der Wissenschaft viele Rätsel aufgegeben. Dank eines der größten Radioteleskope der Welt, dem Low-Frequency-Array (LOFAR), dessen Antennen über ganz Europa verteilt sind, kommen die Forscher den Grenzen von Raum und Zeit immer näher.

„Mit dem Universum verbindet man im Allgemeinen eine Vorstellung von unendlichen Weiten. Dass aber auch Raum und Zeit ihre unüberwindlichen Grenzen haben, wird dabei gerne vergessen - scheinen diese doch in unerreichbarer Ferne. Die bekanntesten dieser Raumzeit-Singularitäten sind wohl der Urknall und die berüchtigten Schwarzen Löcher. Beides sind Endpunkte in Raum und Zeit, die aber dank Methoden der modernen Astrophysik bereits Teil alltäglicher Forschung geworden sind. Mit Radioteleskopen haben wir z.B. schon den Ereignishorizont Schwarzer Löcher fast erreicht und die Struktur des Urknalls mit ungeahnter Genauigkeit vermessen. Neue Radioteleskope machen sich nun auf den Weg, auch die noch letzten verbliebenen dunklen Flecken des Universums - bis hin zu den Grenzen wissenschaftlicher Messbarkeit - zu erforschen. Der Vortrag nimmt den Hörer aus der Sicht eines Radioastronomen mit auf eine gedankliche Reise zu diesen Extremen des Universums und fragt am Ende: Was passiert, wenn wir dort angelangt sind?“

Nach dem Studium in Köln und Bonn promovierte Falcke 1994 am Max-Planck-Institut für Radioastronomie über Hungernde Schwarze Löcher und aktive Kerne. 2000 habilitierte er sich über Die schweigende Mehrheit - Jets und Radiokerne von schwach aktiven Schwarzen Löchern. Seit 2003 arbeitet er am LOFAR-Projekt des niederländischen Forschungsinstituts für Astronomie, ASTRON, in Dwingeloo. Seit 2007 ist er außerdem Professor für Radioastronomie und Astroteilchenphysik an der Radboud Universiteit in Nijmegen. Falcke wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, nämlich mit dem Ludwig-Biermann-Preis der Astronomischen Gesell­schaft, dem Akademiepreis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der Miller-Gastprofessur der University of California in Berkeley sowie dem Advanced Investigator Grant des Europäischen Wissenschaftsrats.

Mehr zum Thema:

  • Heino Falcke; Rainer Beck: Per Software zu den Sternen, in: Spektrum der Wissenschaft, Juli 2008.
  • Heino Falcke; Fulvio Melia: The Supermassive Black Hole at the Galactic Center, in: Annual Review of Astronomy and Astrophysics, Vol. 39, 2001, 309-352.
  • Heino Falcke; Sebastian Jester: Science with a lunar low-frequency array: From the dark ages of the Universe to nearby exoplanets, demnächst in: New Astronomy Reviews.

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