Arbeitstagung 28.05. – 29.05.2015

Objekte wissenschaftlicher Sammlungen in der universitären Lehre:

Praxis, Erfahrungen, Perspektiven

Abstracts

Udo Andraschke M.A.: Hands on. Die Pathologische Sammlung als Versuchsanordnung

Die Pathologische Sammlung der Universität Erlangen-Nürnberg verfügt heute noch über etwa 1.200 historische Feuchtpräparate, die meisten von ihnen über 100 Jahre alt. Seit den 1960er Jahren nahezu vergessen, wurde die Sammlung in den letzten Jahren wiederentdeckt und im Rahmen des von der Stiftung Mercator geförderten Projekts „Hands on“ auch „wiederbelebt“.

Angesichts deutlich sinkender Autopsiezahlen bietet ihre Neueinrichtung die Möglichkeit, Studierende weiterhin unmittelbar am Lerngegenstand auszubilden. Dies geschieht über mehrdimensionale Zugänge, die den Beteiligten auch den verantwortungsvollen Umgang mit den Sammlungsdingen selbst näher bringen sollen.

In einem Wahlfach wird den Studierenden - unter entsprechender Aufsicht und Anleitung – gezeigt, wie die sensiblen Sammlungsstücke konserviert und restauriert werden, welche Praktiken und Bildtraditionen sich hinter ihrer Zurichtung verbergen. Die historischen Objekte werden im Seminar aber nicht nur als schlichte Belege pathologischer Erscheinungen oder präparatorischer Fertigkeiten gelesen. Sie konservieren auch vergangene Anschauungen, Interessen und Deutungen, die es im Sinne einer historischen Epistemologie des Lehrobjekts aufzuzeigen gilt. Die nahezu vollständige Überlieferung erlaubt es außerdem, der Provenienz der Präparate nachzugehen und auf diese Weise den stummen Objekten wieder eine Stimme zu geben.

Als Bestandteil der curricularen Lehre dienen die konservatorisch überarbeiteten Präparate schließlich wieder regelmäßig der Schulung des ärztlichen Blicks. Sie dürfen und sollen hierzu von den Studierenden in die Hand genommen, betrachtet, befragt, beschrieben und gedeutet werden.

Die Pathologische Sammlung erscheint aus dieser Sicht nicht mehr nur als ein Archiv des kranken Körpers, sondern auch als ein Instrument der forschenden Erkundung. Das Referat will den Weg dorthin nachzeichnen, die Effekte, Chancen und Hindernisse des Projekts aufzeigen sowie mögliche Handlungsempfehlungen daraus ableiten.

Dr. Jens-Arne Dickmann, Maria Beckersjürgen M.A.: Beschreibung als Voraussetzung für das Verstehen und Vermitteln

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit einem als dreidimensionaler Gegenstand vorliegenden Objekt erfolgt immer in der einen oder anderen Form beschreibend. Diese These liegt dem Projekt der Archäologichen Sammmlung der Universität Freiburg zugrunde und rückt den Prozess der Annäherung an und der Selbstvergewisserung über den Gegenstand in den Mittelpunkt unserer Arbeit mit Objekten.

Derzeit wird ein dreisemestriges Programm erprobt, das die drei unserem Projekt zugrunde liegenden Leitbegriffe Beschreiben – Verstehen – Vermitteln aufgreift und für jeweils ein Semester fokussiert.

Idee und Grundlage der Auseinandersetzung mit archäologischen Gegenständen ist dabei eine andere Art der sprachlichen und schriftlichen Dokumentation im Rahmen einer neu konzipierten Lehrveranstaltung, einer Schreibwerkstatt. In einem vierschrittigen Verfahren nähern sich die Studierenden dem Gegenstand auf jeweils andere Weise an und erlernen so gleichzeitig die Grundlagen der wissenschaftlichen Erschließung. Da für eine erfolgreiche Teilnahme kein Vorwissen voraussetzt wird, ist die Lehrveranstaltung prinzipiell offen insbesondere für Lernende aus den historischen und philologischen Disziplinen. Die Erfahrungen dieser Schreibwerkstatt werden in ein Seminar überführt, das auf der Basis eines gestellten Themas eine Ausstellungsidee entwirft, d.h. das genaue Thema und ausgewählte Aspekte benennt sowie mögliche Ausstellungsobjekte und ihre Gruppierung erarbeitet.

Eine im dritten Semester folgende Übung dient schließlich der praktischen Umsetzung. Dies betrifft das Schreiben von Katalogeinträgen, Bannern und Vitrinenbeschriftungen genauso, wie die Gestaltung von Plakat und Flyer sowie den Aufbau. Derzeit entsteht soeben die erste Ausstellung „Vom Trinken und Bechern. Das antike Gelage im Umbruch“ (26. 4. – 28. 6.). Zur Ausstellung wird ein Katalog erscheinen, in dem die von der Stiftung MERCATOR als HilfswissenschaftlerInnen geförderten Studierenden erste Beiträge publizieren werden.

Dr. Friedrich Ditsch: Was Sammlungen können – Verknüpfung unterschiedlicher botanischer Sammlungen in der Lehre

Der Botanische Garten Dresden ist eine zentrale Einrichtung der TU Dresden und somit als Lehrort und Materialquelle für alle Studiengänge offen. In der Regel greifen nur wenige Fachbereiche wie Biologie oder Landschaftsarchitektur auf dieses Angebot zurück. Insbesondere den Biologiestudent_innen ist aber der Wert dieser umfangreichen Sammlung außer als Lieferant von Praktikumsmaterial vielfach nicht bewusst.

Noch eingeschränkter ist die Wahrnehmung des Herbariums Dresdense und der paläobotanischen Sammlung am Institut für Botanik seitens der Studierenden. Kommen Studierende, die für ihre Abschlussarbeiten ökologische oder naturschutzrelevante Themen gewählt haben, wenigstens mittelbar mit dem Herbar in Berührung, so findet seit dem Tode des Paläobotanikers Prof. Dr. Harald Walther im Jahre 2013 so gut wie keine Nutzung der Sammlung pflanzlicher Fossilien in der Lehre statt.

Insofern war es eine spannende Aufgabe, eine Lehrveranstaltung für Biologiestudenten_innen im Masterstudium zu konzipieren, die alle drei Sammlungen nicht nur nutzt, sondern auch deren wertvolles Potential aufzeigt.

Im Rahmen eines zweiwöchigen Kurspraktikums zum Thema „Evolution und Biodiversität – vom Werden und Vergehen der Pflanzenarten“ besuchen die Studierenden alle drei Sammlungen, entnehmen Material und bekommen Hintergrundinformationen zu den Sammlungen vermittelt. Dann werden Pflanzenmerkmale am gesammelten Material untersucht, die, wie auch die angewendeten Verfahren, zum größten Teil nicht in anderen Lehrveranstaltungen vermittelt werden.

Die Diskrepanz zwischen dem studentischen Interesse an den gebotenen Inhalten dieses Kurses und der realen Bewerber_innenzahl wird vor dem Hintergrund der durchweg positiven Bewertung im Rahmen einer Evaluation im Rahmen des Vortrags diskutiert und die Perspektiven, diese Veranstaltung nachhaltig in die Lehre einzubinden, erörtert.

Prof. David Gaimster BA PhD: Developing an Enlightenment pedagogy for museum collections: current initiatives at The Hunterian, University of Glasgow.

The Hunterian at the University of Glasgow is currently collaborating with Glasgow Museums and the National Libraries of Scotland (specifically its Scottish Screen Archive) to transform the Kelvin Hall, a large former commercial exhibition building situated on the edge of the University’s campus, for museum collections research, teaching and learning
http://www.gla.ac.uk/hunterian/about/thehunterianatkelvinhall/.

The project will co-locate strategically related partner collections and create a dedicated Hunterian Study Centre for engaging with its 1.4 million-strong study collections with the aim of fostering innovative object-based research, teaching and training. An expanded and trans-disciplinary collections-based curriculum, mainly pitched at post-graduate Masters level, combining innovation in curatorial and collections-based theory and practice, will be delivered in state-of-the-art teaching rooms, conference suites and search rooms. The new designed-for-purpose facilities offer the opportunity to expand post-graduate collections research activity and to transform the learning experience for the University’s life-long learning community. A major Leverhulme Trust Award for 15 doctoral scholarships in collections research has just been awarded to the University in recognition of its initiative at Kelvin Hall
http://www.gla.ac.uk/hunterian/about/news/headline_387175_en.html

In addition, the Kelvin Hall facility will host a new academy for cultural and heritage skills offering continuing professional development to the museum and cultural heritage sectors, nationally and internationally.

Prof. Dr. Dr. Dr. Dominik Groß, Mathias Schmidt M.A.: Lernen am medizinischen Sammlungsobjekt: Instrumente und Geräte in der ärztlichen (Aus-)Bildung

Im Rahmen der Initiative SammLehr der Stiftung Mercator wurden am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen ausgesuchte Objekte der medizinhistorische Sammlung in den Unterricht der medizinischen Terminologie integriert.

Instrumente verkörpern Wirksamkeit, Handlungsmacht und Fortschritt, gleichzeitig jedoch auch Gefahr, Hilflosigkeit und Schmerz. Im Alltag werden sie eher zweckorientiert in Gebrauch genommen, während eine historisch und funktionell orientierte Reflektion und Rückführung auf die Wirkprinzipien unterbleibt.

1. Die Verdeutlichung der Auswirkungen selbst einfacher Instrumente auf das Ärzt_innen-Patient_innen-Verhältnis:
Für Ärzt_innen des 21. Jahrhunderts sind Instrumente ein wenig hinterfragter Bestandteil des Berufsalltags, ein „Mittel zum Zweck“ und „Handwerkszeug“, das routinemäßig in Gebrauch genommen wird. Für den Patient_innen hingegen haben viele Instrumente jedoch eine emotionale Komponente: Sie wecken Gefühle (z. B. Hoffnung, Angst, Kontrollverlust, Hilflosigkeit) und nehmen so Einfluss auf die Ärzt_innen-Patient_innen-Beziehung.

2. Ansätze zur Re-Etablierung einer grundlegenden Material- und Instrumentenkunde:
Durch die Rekonstruktion des Entwicklungsprozesses ausgewählter Instrumen te wird angezielt, den medizinischen und technischen Fortschritt deutlich zu machen und auch die Grenzen aufzuzeigen. Gleichzeitig soll Verständnis für das Wirkprinzip der Instrumente erzeugt werden.

3. Die visuell-haptische Auseinandersetzung mit Sammlungsobjekten:
Schließlich gehört es zu den Zielen, die makroskopisch-haptische Dimension der eigenen Sinneserfahrung durch die Einführung in die Handhabung dreidimensionaler Instrumente zurückzugewinnen bzw. zu stärken.

Inwieweit die anvisierten Ziele erreicht worden sind, ist anschließend mittels einer Befragung an den Studierenden evaluiert worden.

Prof. Dr. Stefan Halverscheid: Mathematische Modelle zur Entwicklung und Vernetzung von Modulen in der Lehrerbildung

Der kulturelle Wert historischer Modellsammlungen ist vielfältig. Eine der Herausforderungen bei ihrer Einbindung in die Module aktueller Studiengänge besteht darin, dass viele Modellsammlungen aus einer bestimmten Epoche stammen, sich aktuelle Inhalte aber weiter entwickeln. Felix Klein, Visionär für mathematische Modellsammlungen wie für das Lehren und Lernen von Mathematik, schrieb über die Rolle von Modellen für das Studium in den 1920ger Jahren in den „Vorlesungen über die Entwicklung der Mathematik im 19. Jahrhundert“: „Wie heute, so war auch damals der Zweck des Modelles nicht die Schwäche der Anschauung auszugleichen, sondern eine lebendige deutliche Anschauung zu entwickeln, ein Ziel, das vor allem durch das selbst Anfertigen von Modellen am Besten erreicht wurde.“ (S. 78)

Das Projekt „KLEIN: Kulturell bildende Lernobjekte Entwickeln, Implementieren, Neu machen“ versucht das Potenzial der „Sammlung Mathematischer Modelle und Instrumente“ für die Lehrerbildung zu nutzen. Aus der Modulentwicklung des Projekts wird der Prozess von der Erschließung des historischen und fachwissenschaftlichen Kontexts der Modelle über ihre Reproduktion und Variation mit Hilfe des 3D-Drucks bis zur Implementation neuer Modelle und Aufgaben für die Modulentwicklung der Studiengänge skizziert.

Dr. Claudia Löschner, Universität Stuttgart: Masterstudium im „Allerheiligsten“ der deutschen Literatur

Erfahrungsbericht zum Projekt „Objekt Text: Bibliotheken, Sammlungen, Manuskripte“

In den letzten Jahren ist in der Literaturwissenschaft, wie überhaupt in den geisteswissenschaftlichen Fächern, ein Trend „zurück und voraus“ zu den Dingen zu beobachten. Gründe dafür liegen u. a. im material turn, in einer Abkehr von den großen Theorieentwürfen, die den einzelnen Forschungsgegenstand verstärkt relevant werden lässt. Hinzu kommen Versuche, auf die Abstrahierung von der Objektwelt (durch Digitalisierungsprojekte und den Aufbau komplexer Datenmengen) zu reagieren und das konkrete Objekt auch in seiner ästhetischen Gestalt in den Vordergrund zu rücken.

In der Forschung am Objekt, wie sie die Studierenden des Lehrprojekts durch den unikalen Bestand des Deutschen Literaturarchivs Marbach (DLA) in gezielt dafür angebotenen Unterrichtsformaten kennenlernen sollen, werden Grundfragen der literaturwissenschaftlichen Forschung an den Objekten selbst entwickelt und philologische Kernkompetenzen geschult. Das Lehr- und Forschungspotential einer großen Sammlung wie der des Deutschen Literaturarchivs wird damit zum Motor zukunftsweisender Lehr- und Forschungsimpulse. Auf diese Weise leistet das Projekt einen Beitrag zu einem reflektierten Umgang mit Überlieferungen und Relikten, der die Objekte nicht nur nach ihrem Anschauungs- und Vermittlungspotential für die Lehre wahrnimmt, sondern diese auch in ihrem spezifischen Erkenntnispotential für aktuelle Forschungsthemen befragt. In institutioneller Hinsicht baut das Projekt die bestehenden Kooperationen der Universität Stuttgart mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach systematisch aus, ergänzt und erweitert die bestehenden Lehrstrukturen um ein entscheidendes Moment im Bereich der Masterausbildung. Die so trainierten Master-Studierenden sind bestens für eine Promotion, aber auch für andere Berufsfelder (etwa im Bereich der Archive und Bibliotheken oder des Feuilletons) qualifiziert.

Im Vortrag werden die Erfahrungen aus den ersten zwei Jahren der Laufzeit des Projekts vorgestellt und Überlegungen im Hinblick auf eine Optimierung sowie Verstetigung des Lehr-Anliegens „Objekt Text“ angestellt.

Prof. Dr. Susanne Rau / Dr. des. Anika Höppner: Studieren neu erfinden? Zur Implementierung eines sammlungsbezogenen Studiengangs in Erfurt / Gotha

Zum Wintersemester 2014/15 startete der Masterstudiengang „Sammlungsbezogene Wissens- und Kulturgeschichte“ an der Universität Erfurt. Die Entwicklung dieses interdisziplinären Studiengangs begann Mitte 2012 und wird seit Juni 2013 von der Stiftung Mercator im Rahmen des Programms „SammLehr – An Objekten lehren und lernen“ gefördert. Das Studienprogramm zeichnet sich insbesondere durch seinen Bezug zu den wissenschaftlichen Sammlungen und historischen Beständen der Universität Erfurt und des Forschungs-, Wissens- und Kulturstandorts Gotha aus. Die universitäre Lehre wird für diesen Studiengang erstmals mit unterschiedlichen Typen von Sammlungen verbunden.

Im Studiengang werden Expert_innen ausgebildet, die theoretisch und praktisch mit Sammlungen umgehen können und die zukünftig sowohl in der Forschung als auch in Archiven, Bibliotheken, Museen, Sammlungen oder Digitalisierungsprojekten beruflich tätig werden können. Die Grundlagen werden in interdisziplinären Pflichtmodulen erarbeitet. In Wahlpflichtveranstaltungen können die Studierenden einen eigenen Schwerpunkt (z. B. Kunstgeschichte, Verwaltungswissenschaft, Kartographie) setzen. Angeboten wird das Lehrprogramm von den vier Fakultäten der Universität Erfurt, der Fachhochschule Erfurt und den Institutionen mit Sammlungsbezug.

Der Vortrag zieht Bilanz über die erste Projektphase und erläutert bisherige Resultate. Er erörtert die Rahmenbedingungen des Studiengangs an der Universität Erfurt und bespricht strukturelle Voraussetzungen seiner Implementierung. Dabei wird deutlich, wie der Studiengang einerseits auf bestehenden Strukturen aufbaut und andererseits Lehrende wie Studierende vor neue Herausforderungen stellt. Schließlich wird das Studienprogramm in seinen Besonderheiten vorgestellt und es werden mögliche Perspektiven für Anschlussprojekte diskutiert.

Dr. Stefanie Rüther: Das geplante Göttinger Promotionsprogramm zur „Materialität des Wissens“ zwischen Interdisziplinarität und Transdisziplinarität

Für die Aus- und Weiterbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses bieten die Objekte der universitären Sammlungen ein besonderes Potential, das bisher jedoch nur in wenigen Fachdisziplinen genutzt wird. Den intensiv geführten theoretischen Debatten der Sozial- und Kulturwissenschaften über die Bedeutung der Materialität für die Formierung und Transformation von Wissensbeständen steht eine verhältnismäßig geringe Zahl von empirischen Arbeiten gegenüber, die dieses Erkenntnispotenzial auch am konkreten Einzelfall und für bestimmte Zeiträume zu nutzen versuchen. Ein Grund für diese Zurückhaltung mag in den besonderen Anforderungen an eine konkrete Auseinandersetzung mit den Objekten der Wissenschaften liegen. Denn neben der Kenntnis der theoretischen Grundlagen der Materialitäts- und Wissensforschung bedarf es der jeweils fachspezifischen Kompetenz im Umgang mit den Objekten, die für die Erschließung der dinglichen Dimension von Wissen und Wissenschaft notwendig sind. Die Universität Göttingen plant daher in Kooperation mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim ein Promotionsprogramm, das sich zum einen an Promovierende mit einem Studienabschluss in den Geistes-, Gesellschafts- und Naturwissenschaften richtet. Zum anderen soll es Absolvent_innen der stärker praxis- und materialbezogenen Studiengänge ansprechen, wie etwa Restaurierung, Gestaltung und Museumskunde. Es wird damit zwei zentrale Fragehorizonte verknüpfen, die bisher disziplinär wie institutionell weitgehend getrennt voneinander erforscht werden: die Frage nach der jeweiligen Materialität akademischen Wissens auf der einen Seite und das Wissen über die materielle Beschaffenheit sowie die Techniken ihrer Bearbeitung in den verschiedenen Fächern auf der anderen Seite. Das Impulsreferat möchte eine Diskussion in der Arbeitsgruppe über die fachlichen Anforderungen und institutionellen Grenzen anregen, die sich dem objektorientierten Forschen und Lernen sowohl zwischen als auch jenseits den Disziplinen stellen.

Prof. Dr. Steffen Siegel, Dr. Kerrin Klinger: Das Jenaer Laboratorium der Objekte

Das an der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität eingerichtete „Laboratorium der Objekte“ versteht sich als eine die Disziplinen und Fakultäten miteinander in Verbindung setzende Schnittstelle für ein übergreifendes Interesse an den Universitätssammlungen. Ein solches Interesse findet in Jena Gegenstände von beträchtlichem Umfang, reicher Vielfalt und nicht zuletzt auch hohem Wert. Fokus des Laboratoriums ist die Arbeit mit Studierenden: als Exploration in den insgesamt 39 Einzelsammlungen, als Diskussion in Projektseminaren und nicht zuletzt auch als Publikation in einer eigenen Schriftenreihe „Laborberichte“. Der Projektleiter Steffen Siegel und die Projektkoordinatorin Kerrin Klinger werden einen Einblick geben in die insgesamt zweijährige Arbeit des Laboratoriums. Vorgestellt werden sollen überdies die bereits erschienenen bzw. in Vorbereitung befindlichen Bände der Schriftenreihe.

Prof. Dr. Barbara Welzel, Nathalie-Josephine von Möllendorff M.A., Dipl.-Ing. Arch. Regina Wittmann: Planvoll

Die einzigartigen Materialien des Archivs für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW (A:AI) der TU Dortmund dokumentieren unter anderem anhand von Plänen, Modellen und Fotografien das Bauen in NRW seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt in der Nachkriegszeit. „Planvoll“ hatte sich als Ziel gesetzt, anhand dieser Objekte ein neues Verständnis der gebauten Umwelt und der Möglichkeiten ihrer Vermittlung herbeizuführen – sie mithin in den Kontext realisierter Bauvorhaben zu setzen. Ausgangspunkt waren dabei die spezifische Qualität der Sammlungsobjekte – ihre sinnliche Erfahrbarkeit, Ästhetik, Haptik und Optik – und die damit verbundenen Bedeutungsebenen. Ein Schwerpunkt lag auf dem Wiederaufbau der städtischen Hauptkirche St. Reinoldi in Dortmund.

„Planvoll“ wurde in Kooperation zwischen dem Seminar für Kunst und Kunstwissenschaft und dem Lehrstuhl Geschichte und Theorie der Architektur durchgeführt; es verknüpfte den Arbeitsbereich Kunstgeschichte in den Lehramtsstudiengänge „Kunst“, den Masterstudiengang „Kulturanalyse und Kulturvermittlung“ sowie Studiengänge der Architektur, einschließlich der Bereiche Stadtplanung und Denkmalpflege. Entscheidend für dieses Projekt und das zugrunde liegende Lehrverständnis war es, kontinuierlich unterschiedliche Foren der Öffentlichkeit zu nutzen (Ausstellungen in der bearbeiteten Kirche, Schulprojekte, öffentliche Veranstaltungen für verschiedenen Zielgruppen), um Strukturen der Vermittlung, Kommunikation und Partizipation innerhalb sozio-kultureller Sinnstiftungsprozesse zu thematisieren.

Von Beginn an war das Projekt in bestehende Studienordnungen integriert, um eine systemische Implementierung sicherzustellen. Zugleich nutzte es das an der TU Dortmund entwickelte Format der „Diversitätsdialoge in Studium und Lehre“. Dieses Setting gilt es nun bewerten und in seinen Möglichkeiten als Modell für andere Orte und Projekte vorzustellen.