Bewegte Geschichten auf fliegenden Blättern
Vor 500 Jahren gehörten Flugblätter zu den wichtigsten Medien der Schwarzen Kunst, die durch Johannes Gutenberg und den Buchdruck hervorgebracht wurde. Flugblätter flogen nicht wirklich – ihr Name beruht auf der Tatsache, dass sie anders als Bücher nicht gebunden, sondern lose daher kamen. Das wiederum bedingte ihre Schnelllebigkeit und Flüchtigkeit.
Ihren Erfolg auf dem Markt verdankten sie der geschickten Kombination von Bildern und Texten mit aktueller Brisanz. Klappen und Drehscheiben verleihen dem Medium bis heute einen besonderen spielerischen Reiz. Das thematische Spektrum der Blätter ist vielfältig und reicht von der neutralen Berichterstattung bis zur erotischen Unterhaltung, von moralischer und politischer Satire bis zur religiösen Ermahnung und Erbauung.
Das Flugblatt richtete seine Aufmachung und Aussage vor allem am Geschmack des Publikums aus. Es reagierte sensationsheischend, ermahnend oder ironisch auf zeitgenössische Ereignisse und Wunschvorstellungen. Flugblätter eignen sich deshalb bestens, das Weltbild, die Hoffnungen und Ängste sowie die künstlerischen Vorlieben ihrer Epoche zu vergegenwärtigen.
Verstehen und Begreifen
Hands on! ist heute ein beliebtes pädagogisches Konzept im Science Center und Technikmuseum. Durch konkretes Anfassen werden dort naturwissenschaftliche und technische Zusammenhänge und Phänomene vermittelt. Diese Strategie ist indessen keineswegs neu, sondern wurde bereits bei Flugblättern der Frühen Neuzeit durch den Einsatz interaktiver Elemente praktiziert.
Die Macher von damals verstanden es nicht nur, Botschaften in doppelsinnige Bilder und Texte zu verpacken. Eingebaute Klappmechanismen und Drehbilder verführen zu einer intensiveren Beschäftigung und dem Spiel mit den Inhalten. Erst indem der Betrachter die Oberfläche aufdeckt und darunter blickt, erschließt sich ihm der tiefere Sinn des Blattes.
Interaktiv gestaltete Flugblätter beziehen ihr Publikum auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen in den Kommunikationsprozess mit ein. Nicht zufällig geht das verstandesmäßige Begreifen auch sprachgeschichtlich auf ein Ergreifen mit den Händen zurück.