Vom Ehebruch, aus:
Das Narrenschiff (1494)
Wer leiden kann, daß sein Weib sei
Im Ehebruch, und er wohnt ihr bei,
So er das weiß und sieht den Trug,
Den halt ich wahrlich nicht für klug.
Er gibt ihr Ursach’ mehr zum Fall;
Dazu die Nachbarn munkeln all,
Er hab mit ihr teil und gemein,
Und ihre Beute sei auch sein.
Sie sprech’ zu ihm: „Hans, guter Mann,
Dich seh’ ich doch am liebsten an!“ –
Die Katz den Mäusen gern nachgeht,
Wenn sie das Mausen erst versteht:
Die andre Männer hat versucht,
Wird also schandbar und verrucht,
Daß Ehr’ und Scham sie nicht mehr achtet,
Nach ihrer Lust allein sie trachtet.
Ein jeder schau, daß er so lebe,
Daß er der Frau nicht Ursach’ gebe;
Er halt sie freundlich, lieb und schön
Und fürcht nicht jeder Glock’ Getön’,
Noch keif er mit ihr Nacht und Tag,
Und schau doch, was die Glocke schlag.
Dann laß dies treuer Rat dir sein:
Führ nicht viel Gäste bei dir ein!
Vor allem schaue der genau,
Wer hat ’ne weltlich hübsche Frau,
Denn niemand ist zu trauen wohl,
Die Welt ist falsch und Untreu voll.
Sebastian Brant (1457–1521)