Spiel mit der Augenlust  
 
Erotische Unterhaltungsblätter präsentierten ihrem Publikum gewagte Anzüglichkeiten zumeist in Form doppeldeutiger Satiren. In der Darstellung von Nacktheit oder verbotener Sexualität fanden heimliche und offene Wünsche ihre Befriedigung. Der Betrachter wird mit Überraschungseffekten geködert, durch frivole Anspielungen in Spannung versetzt und zum Voyeur gemacht.
Im Mittelpunkt steht immer das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Anstößiges und gesellschaftlich geächtetes Verhalten wurde oftmals unverblümt und frei von moralisierenden Kommentaren in Szene gesetzt. Ein beliebtes Thema ab dem 16. Jahrhundert war der Ehebruch, wobei zumeist der betrogene Ehemann die Zielscheibe des Spottes abgab.
Das entlastende Lachen stellte sich ein, wenn ein Verstoß gegen Verhaltensnormen augenzwinkernd oder hämisch und zugleich aufreizend präsentiert wurde. Wie offen solche Flugblätter gehandelt werden konnten, bleibt unbekannt. Durch zeitgenössische Gemälde ist zumindest ihr Aushang in Bordellen belegt.
Vom Ehebruch, aus:
Das Narrenschiff (1494)
 
Wer leiden kann, daß sein Weib sei
Im Ehebruch, und er wohnt ihr bei,
So er das weiß und sieht den Trug,
Den halt ich wahrlich nicht für klug.
Er gibt ihr Ursach’ mehr zum Fall;
Dazu die Nachbarn munkeln all,
Er hab mit ihr teil und gemein,
Und ihre Beute sei auch sein.
Sie sprech’ zu ihm: „Hans, guter Mann,
Dich seh’ ich doch am liebsten an!“ –
Die Katz den Mäusen gern nachgeht,
Wenn sie das Mausen erst versteht:
Die andre Männer hat versucht,
Wird also schandbar und verrucht,
Daß Ehr’ und Scham sie nicht mehr achtet,
Nach ihrer Lust allein sie trachtet.
Ein jeder schau, daß er so lebe,
Daß er der Frau nicht Ursach’ gebe;
Er halt sie freundlich, lieb und schön
Und fürcht nicht jeder Glock’ Getön’,
Noch keif er mit ihr Nacht und Tag,
Und schau doch, was die Glocke schlag.
Dann laß dies treuer Rat dir sein:
Führ nicht viel Gäste bei dir ein!
Vor allem schaue der genau,
Wer hat ’ne weltlich hübsche Frau,
Denn niemand ist zu trauen wohl,
Die Welt ist falsch und Untreu voll.
Sebastian Brant (1457–1521)
 
Sprachbilder und Bildersprache  
 
Die Kommunikationsstrategie der Flugblätter bediente sich einer Vielzahl überlieferter Texte und Bildvorlagen. Bibelzitate, Heiligenlegenden, zeitgenössische Sinnsprüche, antike Mythologie, Volkssagen oder Tierfabeln – all dies fand Verwendung oder wurde miteinander kombiniert, wenn es die Intention der Aussage erforderte. Flugblätter eröffneten auch einen Zugang zu Literaturformen und Bildtraditionen, die bislang nur der gebildeten Bevölkerung vorbehalten war.
Flugblätter sprechen nicht selten in Rätseln, die zum Mitdenken einladen. Manche Details in den Darstellungen wirken heute äußerst merkwürdig oder gar widersinnig, was daran liegt, dass Sprichwörter oder Redewendungen in konkrete Bilder umgesetzt wurden. Dies unterstützte die Lesbarkeit der Flugblätter und verstärkte ihre Aussage.
Möglicherweise gab es selbst für den Zeitgenossen nicht immer eine eindeutige Entschlüsselung der Inhalte, weil gerade das Spiel mit Doppeldeutigkeiten den Reiz des Mediums ausmacht.
Der Wirt.
Heut wird werden
um 1610
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Originalformat:
17,7 cm x 22,9 cm
 
Für mehr Informationen auf die Flugblätter klicken!
Wehr Muotter wehr:
Der Han will mir übers Nest
um 1580
Kupferstecher: ACH
(tätig Ende 16. Jh.)
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Originalformat:
18,1 cm x 22,4 cm
Representation du coquu ialoux
um 1580
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Originalformat:
20 cm x 24,1 cm
 
 
Impressum www.humboldt-forum.de