Von Stutzern und Mätressen  
 
Empörung und Spott über das Modegebaren junger Männer und Frauen waren ein beliebtes Thema in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Im Fadenkreuz der Kritik stand die Nachahmung französischer Kleider- und Verhaltenssitten, die das steifere Benehmen und die zugeknöpfte Trachtennorm des tonangebenden spanischen Hofes abzulösen begannen.
Flugblätter führten die so genannten Alamodisten als nachahmungsgeile und beschränkte Spezies vor, die immer für einen Brüller beim Publikum gut war. Dies bot ein Ventil für die Abfuhr aufgestauter Aggressionen. Konflikte zwischen Jung und Alt, Standesneid und Dünkel, aber auch religiöse und politische Kontroversen fanden in den Darstellungen ironisch satirische bis deftig vulgäre Ausdrucksformen.
Genutzt hat das Anprangern eines allgemeinen Sittenverfalls anhand der vordergrün-digen Modekritik offenbar wenig. Zumindest nicht, wenn man der nüchternen Bilanz eines Zeitgenossen Glauben schenkt.
Allomodischer DefensionSpiegel
1629, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel,
Originalformat:
40,5 cm x 33,5 cm
Verkaufsschlager der Schwarzen Kunst
 
Flugblätter waren überwiegend für den Verkauf bestimmt. Ihre Produktion erforderte die Zusammenarbeit verschiedener Berufe und Gewerbe. Neben Autoren, Zeichnern und Verlegern waren Drucker, Kupferstecher und Formschneider beteiligt. Der Vertrieb erfolgte über Auslagen im Buchhandel oder öffentlich vor Kirchen, auf Marktplätzen oder in Gaststuben. Kolporteure, reisende Händler, sorgten für die Verbreitung.
Angesprochen wurde vor allem ein städtisches Publikum. Durch aussagekräftige Bilder und lautes Ausrufen richteten sich die Flugblätter auch an leseunkundige Käufer. Allgemeine Aussagen über Auflagenhöhe und Preis zu treffen, ist schwierig, weil Faktoren wie technische und künstlerische Qualität, Inhalt und Nachfrage dabei eine Rolle spielten.
Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass die Auflagenhöhe zwischen einigen Hundert und 2.000 Exemplaren lag. Der Durchschnittspreis dürfte dem Stundenlohn eines städtischen Handwerkers entsprochen haben. Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts gelten als die Vorläufer populärer Printmedien.
Auf eine gewisse Kleider-Ordnung (1704)
 
Man war zu meiner Zeit in einer Stadt bedacht,
den vielen Kleider-Stolz nicht länger zu vertragen.
Die Ordnung ward hiervon im Druck bekannt gemacht,
Und an ein jedes Tor in Kirchen angeschlagen;
Man sah die Blätter an, man las, man stand dabei.
Doch Pracht und Überfluß verblieb in allen Orden.
Und endlich merkte man, die Kleider-Ordnung sei
Von Kirchen-Türen nur allein gehalten worden.
Benjamin Neukirch (1665–1729)
Dann trägt man kurz, dann lange Röck’,
Dann große Hüt’, dann spitz wie Weck,
Dann ärmellang, dann weit, dann eng,
Dann Hosen mit viel Farb’ und Spreng’,
Das zeigt, was in dem Herzen leit,
Ein Narr hat Änderung allezeit.
Johann Michael Moscherosch (1601–1669)
Spottstreitt. Der alten
und neuen Manns- und Weibertracht
Nürnberg, um 1650
Verleger: Paul Fürst
(1608–1666)
Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt
Originalformat:
29 cm x 38 cm
Laconice. Sat sapienti Gnueg mann kennt di‘
Straßburg, um 1630
Kupferstecher: vermutlich Jacob von der Heyden (1573–1645), Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Originalformat:
30,8 cm x 30,2 cm
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