nach 1989: Zusammenführung und Neuformierung

Kunstkammer
Foto: Brigida González | WeltWissen
Die Wiedervereinigung veränderte die Wissenschaften in Ost- und Westberlin grundlegend. Viele Institutionen der DDR wurden aufgelöst, andere in bestehende Strukturen der Bundesrepublik eingepasst. Doch auch in Westberlin erfolgten Veränderungen dieser Art. Für die Betroffenen hatte die Umstrukturierung biografische Konsequenzen. Die Bewertung dieses Prozesses fällt bis heute unterschiedlich aus.
Der Neustrukturierung folgte im Rahmen des Bologna-Prozesses die Eingliederung der Berliner Wissenschaft in ein gesamteuropäisches Bildungssystem. Es entstanden neue Förder- und Forschungsstrukturen sowie Kooperationen zwischen universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung zählt die Stadt wieder zu den großen europäischen Wissenschaftszentren.

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Handschrift von Beethovens Nr. 9 Sinfonie

Zeitzeugen der Wendezeit

Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands galt es, zwei grundlegend unterschiedliche Wissenschaftssysteme zusammenzuführen. Nach 1990 wurden die zentralen Wissenschaftsinstitutionen der DDR weitgehend aufgelöst. Es folgte die – im Artikel 38 des Einigungsvertrages als „Einpassung“ bezeichnete – Übernahme ausgewählter Einzeleinrichtungen in das auf die neuen Bundesländer ausgedehnte westdeutsche System. Die Grundlage für die Personalpolitik in Berlin bildete das Ergänzungsgesetz zum Berliner Hochschulgesetz vom Juli 1991. Universitätsinstitute wurden geschlossen, Lehrstühle und Fächer neu strukturiert. Viele Universitätsangehörige verloren ihren Arbeitsplatz. Die Einschnitte waren tief greifend: Von 1989 bis 1997 verließen allein an der Humboldt-Universität 83,6 Prozent des dauerhaft beschäftigten Wissenschaftspersonals die Universität, viele von ihnen unfreiwillig. Viele Lebens- und Arbeitswege änderten sich grundlegend. 16 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Ost und West, die 1989 im Berliner Hochschulbetrieb tätig waren oder sich politisch mit diesem auseinandergesetzt haben, schildern die Ereignisse zur Zeit der Wende aus ihrer persönlichen Sicht.

Durchführung des Zeitzeugen-Projektes: teamstratenwerth, Basel

Zeitzeugen
Prof. Dr. Thomas Kuczynski (*1944)
Wirtschaftshistoriker und Publizist
In London geboren und seit 1947 in Berlin, studierte er Statistik an der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst, promovierte 1972 bei Hans Mottek, forschte ab 1972 am Institut für Wirtschaftsgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR und war von 1988 bis zur Schließung des Instituts im Jahr 1991 dessen Direktor. Seither arbeitet er als freier Publizist.
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Interview: Prof. Dr. Thomas Kuczynski (*1944)
Prof. Dr. Oksana Bulgakowa (*1954)
Filmwissenschaftlerin
Die in Nikopol (Ukraine) geborene Wissenschaftlerin absolvierte ein Studium der Filmtheorie und -geschichte in Moskau. 1982 promovierte sie an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Von 1984 bis 1990 arbeitete sie an der Akademie der Künste der DDR in der Forschungsgruppe Film. Nach der Wiedervereinigung war sie unter anderem am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung tätig. Sie lehrte an der HU, an der Freien Universität Berlin und in den USA (Stanford und Berkeley).
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Interview: Prof. Dr. Oksana Bulgakowa (*1954)
Prof. Dr. Roswitha März (*1940)
Mathematikerin
Roswitha März wurde im tschechischen Varnsdorf geboren. Sie studierte Mathematik an der Universität Leningrad (heute St. Petersburg). 1980 wurde sie zur ordentlichen Professorin für Numerische Mathematik an der Humboldt-Universität berufen. Sie wurde 1990 und 1991 zur Dekanin des Fachbereichs Mathematik gewählt, trat jedoch wegen Diskriminierung durch das Ergänzungsgesetz zum Berliner Hochschulgesetz (ErgGBerlHG) zurück. 1992 erfolgte die Neu-Berufung zur Professorin für Mathematik/Numerik. 
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Interview: Prof. Dr. Roswitha März (*1940)
Prof. Dr. Richard Schröder  (*1943)
Theologe
In Froburg/Sachsen geboren, war der DDR-Oppositionelle von 1977 bis 1990 an den kirchlichen Ausbildungsstätten in Naumburg und Berlin Dozent für Philosophie. Seit 1990 lehrte Richard Schröder an der Humboldt-Universität zu Berlin, deren Vizepräsident er von 1998 bis 2000 war. Von 1993 bis zu seiner Emeritierung 2009 war er dort Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie an der Theologischen Fakultät.
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Interview: Prof. Dr. Richard Schröder (*1943)
Prof. Dr. Jürgen Kocka (*1941)
Historiker
Der in Haindorf (heute Hejnice) geborene Wissenschaftler lehrte von 1973 bis 1988 an der Universität Bielefeld und von 1988 bis 2009 an der Freien Universität Berlin. Als Mitglied des Wissenschaftsrates war er von 1990 bis 1992 an der Evaluierung des DDR-Wissenschaftssystems beteiligt, 1992 bis 1996 leitete er das spätere Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, von 1994 bis 1998 Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Wissenschaft und Wiedervereinigung“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
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Interview: Prof. Dr. Jürgen Kocka (*1941)
Prof. Dr. Joachim Sauer (*1949)
Chemiker
Der im brandenburgischen Hosena geborene Wissenschaftler arbeitete von 1977 bis 1991 im Zentralinstitut für Physikalische Chemie der Akademie der Wissenschaften. Nach der Wiedervereinigung war er für ein Jahr technischer Direktor für Katalyse bei einer Softwarefirma in San Diego, bevor er Leiter einer Arbeitsgruppe der Max-Planck-Gesellschaft wurde. Seit 1993 ist Joachim Sauer Professor für Theoretische Chemie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Interview: Prof. Dr. Joachim Sauer (*1949)
Prof. Dr. Heinz-Elmar Tenorth (*1944)
Erziehungswissenschaftler
Der in Essen geborene Wissenschaftler promovierte 1975 an der Universität Würzburg in Pädagogik und Philosophie. Von 1979 bis 1991 hatte er an der Goethe-Universität Frankfurt am Main eine Professur für Wissenschaftstheorie und Methodologie der Erziehungswissenschaft inne. Seit 1991 ist Heinz-Elmar Tenorth Professor für Historische Erziehungswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2000 bis 2005 war er dort auch Vizepräsident für Studium und Lehre.
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Interview: Prof. Dr. Heinz-Elmar Tenorth (*1944)
Prof. Dr. Frank Hörnigk (*1944)
Germanist
Der in Frankfurt/Oder geborene Wissenschaftler habilitierte sich 1981 an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1988 wurde er zum Außerordentlichen Professor und 1990 zum Ordentlichen Professor berufen. 1990 wurde er zum ersten Dekan des Fachgebietes Germanistik an der Humboldt-Universität gewählt. 1993 erfolgte seine Neuberufung zum Ordentlichen Professor für das Fachgebiet Neuere Deutsche Literatur.
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Interview: Prof. Dr. Frank Hörnigk (*1944)
Dr. Wolfgang Thierse (*1943)
Kulturwissenschaftler und Politiker
Der in Breslau (heute Wrocław) geborene Politiker war von 1977 bis 1990 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften. 1989 schloss er sich dem Neuen Forum an, 1990 trat er der SPD bei. Bis 2005 war er stellvertretender Vorsitzender der SPD und von 1998 bis  2005 Bundestagspräsident. Seit 2005 ist er Vizepräsident des Deutschen Bundestags.
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Interview: Dr. Wolfgang Thierse (*1943)
Prof. Dr. Gisela Jacobasch (*1935)
Fachärztin für Biochemie
Die in Danzig (heute Gdańsk) geborene Wissenschaftlerin wurde 1974 zur ordentlichen Professorin für Biochemie an die Charité berufen und war stellvertretende Direktorin des Instituts für Biochemie. 1992 vom Dekan aus letzterer Funktion abberufen, arbeitete sie dort bis 1995 weiter als Professorin alten Rechts. Bis zu ihrer Emeritierung 2001 leitete sie die Abteilung Präventiv-Medizinische Lebensmittelforschung am Deutschen Forschungsinstitut für Ernährung in Potsdam-Rehbrücke.
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Interview: Prof. Dr. Gisela Jacobasch (*1935)
Dr. Angelika Keune (*1953)
Germanistin und Kustodin
Angelika Keune wurde in Cottbus geboren, studierte Germanistik und Geschichte und promovierte 1983 an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1988/89 arbeitete sie dort als Pressereferentin und seit 1989 als Kustodin. Von 1989 bis 1992 engagierte sie sich bei der Initiative „Humboldt-Frauen“. In dieser Funktion saß sie von 1990 bis 1992 am „Runden Tisch“, einem Gremium zur Förderung der universitätsinternen Hochschulerneuerung.
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Interview: Dr. Angelika Keune (*1953)
Dr. Sven Vollrath (*1970)
Historiker
Sven Vollrath wurde in Wippra/Harz geboren und studierte von 1988 bis 1996 an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er aktiv am institutionellen Selbsterneuerungsprozess teilhatte. 1998 Referent beim SPD-Parteivorstand. 1999 bis 2005 zunächst Referent, dann Leiter des Büros des Bundestagspräsidenten, seit 2006 Leiter des Europareferats im Deutschen Bundestag.
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Interview: Dr. Sven Vollrath (*1970)
Prof. Dr. Dieter Simon (*1935)
Rechtswissenschaftler
Der in Ludwigshafen geborene Wissenschaftler war von 1968 bis 1991 an der Universität Frankfurt am Main Inhaber eines Lehrstuhls für Zivilrecht und Römisches Recht und von 1980 bis 2003 Direktor des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte. Von 1989 bis 1992 war Dieter Simon Vorsitzender des Wissenschaftsrates und von 1995 bis 2005 Präsident der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Seit 1996 lehrt er als Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin.
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Interview: Prof. Dr. Dieter Simon (*1935)
Dr. Sibylle Schmerbach (*1945)
Wirtschaftsstatistikerin
Die Wissenschaftlerin wurde 1991 in die humboldtinterne Gründungskommission zum Neuaufbau der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät berufen. 1992 übernahm sie eine Stelle als Dozentin am Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie. Sie baute das Fach Wirtschaftsstatistik auf und wurde Geschäftsführerin des ersten ostdeutschen Sonderforschungsbereichs nach der Wende. Seit 2006 ist sie Prodekanin für Studium und Lehre.
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Interview: Dr. Sibylle Schmerbach (*1945)
Prof. Dr. Hubert Laitko (*1935)
Wissenschaftshistoriker
Der in Spremberg geborene Wissenschaftler leitete am Berliner Akademieinstitut für Theorie, Geschichte und Organisation der Wissenschaft ab 1975 die Forschungsgruppe (1981: Bereich) Wissenschaftsgeschichte. Nach der Schließung des Instituts 1991 setzte er seine Arbeiten zur Institutionalgeschichte der Wissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert ohne Anstellung fort und lehrt heute an der Technischen Universität Cottbus.
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Interview: Prof. Dr. Hubert Laitko (*1935)
Prof. Dr. Manfred Erhardt (*1939)
Rechtswissenschaftler und Bildungspolitiker
Der gebürtige Stuttgarter arbeitete bis 1991 in verschiedenen Leitungsfunktionen im Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Baden-Württemberg. Von 1991 bis 1996 verantwortete er als Senator für Wissenschaft und Forschung die Neuordnung der Berliner Wissenschaftslandschaft, deren Entwicklung er als Generalsekretär des Stifterverbandes der Deutschen Wissenschaft bis 2004 beeinflusste.
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Interview: Prof. Dr. Manfred Erhardt (*1939)