Konzept
Eine Großinstallation im zentralen Lichthof des Martin-Gropius-Baus, über den die Besucher in die Ausstellung eintreten, greift die Idee WeltWissen auf. Verschiedenste Objekte sind in einem großen Kugelsegment angeordnet, das das gesamte Gebäude zu durchschneiden scheint, und das – im Gegensatz zu einer Weltkugel – die zwangsläufige Ausschnitt- und Perspektivhaftigkeit des wissenschaftlichen Blicks in ein Raumbild übersetzt. Die hier versammelten Dingwelten repräsentieren Berlin als dynamischen Wissensspeicher. Durch die räumliche Nähe sonst disziplinär getrennter Objekte entsteht eine Vielzahl unerwarteter Assoziationen. Der amerikanische Künstler Mark Dion hat für diese Installation auf Arrangements und Ordnungsprinzipien der historischen Kunstkammer zurückgegriffen. Sein Streifzug durch die Institutionen war nicht nur ein Aufspüren von Dingen aus verschiedenen Zeiten, sondern zugleich eine Erkundungsreise durch unterschiedliche Disziplinen und Forschungsfelder.
Der in der Lichthof-Installation entfaltete Bezug zwischen der Berliner Wissenschaft und der Welt wird in einem ersten Erzählstrang in den Themenräumen durch die Frage nach einer »Eigenart« der Berliner Wissenschaften ergänzt. Dieser Ausstellungsteil widmet sich 300 Jahren Berliner Wissenschaften insbesondere im lokalen kulturellen und gesellschaftlichen Kontext. Am Beginn der Spurensuche steht eine Utopie des 17. Jahrhunderts: Sophopolis. Mitten im märkischen Sand sollte eine »Stadt der Weisheit« entstehen. Aus Geldmangel blieb sie eine ausgefeilte Utopie, und in der historischen Rückschau manifestiert sich hier ein erstes Charakteristikum der Berliner Wissenschaft: das Außergewöhnliche zu wollen und das bisweilen unmöglich Erscheinende zu versuchen. Die zukunftsweisende, fächerübergreifende Konzeption der Akademie durch Leibniz erscheint als verspätete Anknüpfung daran. Die erste wirkliche Blüte erfuhr die Akademie, als französische Wissenschaftler ein Niveau einführten, dass in der Residenzstadt bis dahin nicht zu finden war: lokale Infrastruktur und Förderung, verbunden mit Offenheit für andernorts entwickelte Ideen und Positionen, waren ausschlaggebend für den Aufstieg der Berliner Wissenschaften.
Im Wechsel deutlich ausgeprägter Phasen der Toleranz und Weltläufigkeit, aber auch der Ausgrenzungen verdeutlicht der chronologische Ausstellungsteil zudem die gesellschaftliche Relevanz und Eingebundenheit von Wissenschaft. Wissenschaft erweist sich als Fokus und Impulsgeber gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen. Gleichzeitig vertritt diese Darstellungsform auch den Anspruch, wesentliche Voraussetzungen der Wissenschaft, nämlich Reflexion und Prüfung, als Wert an sich zu vermitteln, als kritische Grundlage einer sich ihrer selbst bewussten Gesellschaft.
Dieser in die Kulturgeschichte eingebetteten Präsentation von Wissenschaft ist ein Ausstellungsbereich zur Seite gestellt, der Wissenschaft selbst als kulturelle Praxis vor Augen führt. Die »Wissenswege«, die sich über neun Ausstellungsräume erstrecken, werden zum einen räumlich aufgefasst, um den Blick auf die Transferbewegungen zwischen Berlin und anderen Orten zu richten; zum anderen sind hier Art und Methoden der Wissensgewinnung bestimmend für die Raumstrukturen des Ausstellungsparcours. So werden »Vermessen«, »Entwerfen & Verwerfen«, »Experimentieren«, »Reisen« oder »Interpretieren« jeweils zu Themen einzelner, diachron angelegter Räume. Der Zugang über die schlichte Frage, was Wissenschaftler eigentlich tun, wenn sie forschen. In der gezeigten Folge berühmter Forschungsreisen beispielsweise sind in diesem Sinne nicht nur Ergebnisse und Erfolge abzulesen, sondern werden die unterschiedlichen Haltungen erkennbar, mit denen Berliner Wissenschaftler an anderen Orten tätig waren. Auf diese Weise werden die oft widerstreitenden Gefühle der Forschungsreisenden spürbar und die mitunter schicksalhafte Intensität von Wissenschaft erfahrbar, die der Blick auf Erfolgsmeldungen gerne übersieht – etwa wenn sich am Beispiel des gefeierten Alexander von Humboldt und dessen Besteigung des Chimborazo im Delirium der Höhenkrankheit auch das streckenweise Scheitern nachvollziehen lässt.